Leitsatz
Kernproblem dieser Entscheidung war die Frage, welche Anforderungen an die Zustimmung des Elternteils zu stellen sind, der der Übertragung der elterlichen Sorge auf den anderen Elternteil zustimmt.
Sachverhalt
Aus der im April 2008 geschiedenen Ehe der Kindeseltern gingen insgesamt sechs Kinder hervor. Verfahrensbetroffen war allein das Kind M.
Der Vater hatte mit Antrag vom 9.9.2009 beantragt, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder M. und A. zu übertragen.
Die Mutter hatte dem Vater mit Faxschreiben vom 9.9.2009 die Erlaubnis erteilt, M. für ein weiteres Jahr als zweiten Wohnsitz bei sich und in der Schule an seinem Wohnort für das Schuljahr 2009/2010 anzumelden.
Mit Beschluss vom 6.10.2009 hat sich das FamG bezüglich des Kindes A. für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren insoweit an das örtlich zuständige FamG abgegeben.
Im Anhörungstermin am 15.10.2009 hat das AG festgestellt, dass die Mutter trotz ordnungsgemäßer und rechtzeitiger Ladung nicht erschienen war. Das Kind M. und die Familienhelferin des Familienzentrums hätten erklärt, die Mutter habe ihnen gesagt, sie sei mit einem Verbleib des Kindes beim Vater einverstanden. Der zuständige Vertreter des Jugendamtes sei mit einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater ebenfalls einverstanden. Auch das Kind M. habe sein Einverständnis bekundet.
Mit Beschluss vom gleichen Tage hat das AG dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht für M. übertragen.
Hiergegen wandte sich die Mutter mit ihrer Beschwerde, mit der sie beantragte, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für M. auf sie zu übertragen, hilfsweise, die Entscheidung des AG aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.
Entscheidung
Nach Auffassung des OLG war die Beschwerde der Mutter begründet und führte in der Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des ihm zugrunde liegenden Verfahrens zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das AG. Das Verfahren leide an einem wesentlichen Mangel, da das AG nicht ohne persönliche Anhörung der Mutter hätte entscheiden dürfen.
Nach § 160 Abs. 1 S. 1 FamFG sollten die Eltern im Verfahren, die die Person des Kindes beträfen, vom Gericht persönlich angehört werden. Diese Pflicht diene zum einen der Gewährung rechtlichen Gehörs, zum anderen verdichte sie die in § 26 FamFG normierte Verpflichtung des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (vgl. BGH FamRZ 1985, 169).
Von der Anhörung dürfe daher gemäß § 160 Abs. 3 FamFG nur aus schwerwiegenden Gründen abgesehen werden.
Einen solch schwerwiegenden Grund habe das AG in seinem Beschluss nicht dargelegt; er sei auch nicht aktenersichtlich.
Das erstinstanzliche Gericht habe die Rechtsgrundlage für die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für M. auf den Vater nicht ausdrücklich angegeben, sich aber ersichtlich auf § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB gestützt und sei zu diesem Zweck von einer Zustimmung der Mutter zu dem Antrag des Vaters ausgegangen.
Dies begegne durchgreifenden Bedenken. Die in Bezug genommenen Faxschreiben ließen den Schluss auf eine Zustimmung nicht zu. Aus ihnen gehe hervor, dass die Mutter mit einem Verbleib von M. für das Schuljahr 2009/2010 bei dem Vater mit zweitem Wohnsitz einverstanden sei. Sie enthielten jedoch keine Erklärung, die als Zustimmung der Kindesmutter hätte gedeutet und verwertet werden dürfen.
Dessen ungeachtet hätte sich das Gericht im Rahmen einer persönlichen Anhörung der Mutter von der Wirksamkeit der von ihm angenommenen Zustimmung überzeugen müssen. Hiervon hätte das Gericht auch dann nicht absehen dürfen, wenn es zutreffend davon ausgegangen wäre, dass die Mutter ordnungsgemäß zum Anhörungstermin geladen gewesen sei.
Es hätte die Mutter zumindest unter Androhung der Vorführung zu einem neuen Termin laden müssen. Dies sei nicht geschehen. § 34 Abs. 3 S. 1 FamFG, der es gestatte, von der Anhörung eines unentschuldigt im Anhörungstermin nicht erschienenen Beteiligten abzusehen, erfasse nur den Fall, in dem die Anhörung allein der Gewährung rechtlichen Gehörs diene und nicht zumindest auch - wie hier - auf die Verwirklichung der Amtsaufklärung ziele (Prütting/Helms/Abramenko, FamFG, 1. Aufl., § 34 Rz. 31).
Link zur Entscheidung
Saarländisches OLG, Beschluss vom 23.02.2010, 6 UF 140/09