6.2.1 Rechtliche Rahmenbedingungen für Fernsehempfang
Rz. 47
Zur Beurteilung der mietrechtlichen Probleme des Fernsehempfangs sind mehrere rechtliche Ebenen zu betrachten:
- verfassungsrechtliche Ebene,
- europarechtliche Ebene,
- mietvertragliche Ebene.
Rz. 48
Verfassungsrechtliche Ebene
Nach Art. 5 Abs. 1 GG hat jeder das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Dieses Grundrecht ist ein sog. Jedermann-Recht, gilt also nicht nur für den deutschen Staatsangehörigen. Es umfasst die aktive Meinungsfreiheit, ausdrücklich aber auch die passive, die Informationsfreiheit. Beim Fernsehempfang des Mieters geht es um den Erhalt von Informationen, der sich dem Wortlaut der Vorschrift nach auf die allgemein zugänglichen Quellen beschränkt. Danach beantwortet sich auch die Frage, ob eine Informationspflicht besteht. Das führt zu dem Problem, ob der Vermieter die Pflicht hat, dem Mieter Informationen zukommen zu lassen bzw. aktiv dem Mieter Informationsquellen zur Verfügung zu stellen.
Grundrechte sind vom Regelungsziel her Abwehrrechte gegen den Staat, in welcher Rechtsform er auch öffentlich-rechtlich, hoheitlich auftritt. Der Bürger soll also vor Eingriffen des Staates geschützt werden. Dazu besteht insofern zum Grundrecht der Informationsfreiheit allgemein Einigkeit darüber, dass der Staat grundsätzlich nicht verpflichtet ist, den Bürger über jedwede Fakten zu unterrichten und die allgemein zugänglichen Quellen nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG mit Informationen zu bedienen. Unabhängig davon mag der Staat aus anderen öffentlich-rechtlichen Gründen die Pflicht haben, betroffene Bürger zu informieren, was in diesem Zusammenhang jedoch dahinstehen kann. Inwiefern der Staat Wert auf eine ausreichende und vor allem ausgewogene Information legt, betrifft die medienrechtliche Ebene (auf die noch einzugehen ist), nicht die verfassungsrechtliche Ebene.
Das Grundrecht der Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz GG hat aber nicht nur Bedeutung im Verhältnis Bürger – Staat, sondern wirkt auch in mancherlei Hinsicht auf das Privatrecht ein. Auf welche dogmatische Weise diese sog. Drittwirkung der Grundrechte stattfindet, ob es sich um eine unmittelbare Drittwirkung handelt oder nur um eine mittelbare über die Auslegung der privatrechtlichen Generalklauseln des BGB (vgl. dazu Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 242 Rn. 7 und 8), kann für die vorliegende Betrachtung dahinstehen. Jedenfalls ist die Wertordnung des Grundgesetzes mit seinen Grundrechten auch in der privatrechtlichen Ebene zu beachten (vgl. BVerfGE 7, 198 [205 ff.], st. Rspr. des BVerfG). Das gilt daher auch für das Grundrecht der Informationsfreiheit im Verhältnis zum Mietrecht über die Generalklausel des § 242 in Abwägung nach Treu und Glauben zwischen den Vermieterinteressen (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) und den Mieterinteressen zur Beschaffung und Nutzung von Informationen (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz GG). In diesem Zusammenhang ist vor allem auf die grundlegende Entscheidung des BVerfG zum Recht des ausländischen Mitbürgers auf Errichtung einer Parabolantenne zu verweisen, in der der Weg zur Interessenabwägung beschrieben wird (BVerfG, Beschluss v. 9.2.1994, WuM 1994, 251). Daraus folgt:
Verfassungsrechtlich besteht grundsätzlich keine Pflicht des Vermieters, dem Mieter eine technische Anlage zum Empfang von Fernsehsendungen zur Verfügung zu stellen – es sei denn, er hat eine derartige Verpflichtung mietvertraglich übernommen. Da sich der Grundrechtsschutz jedoch auch auf die Beschaffung und Nutzung von technischen Anlagen erstreckt, die eine an die Allgemeinheit gerichtete Information erst individuell erschließen, muss der Vermieter dem Mieter in grundgesetzlich gebotener Auslegung des § 242 (Treu und Glauben) gestatten, je nach Notwendigkeit in oder außerhalb der Mietwohnung technische Anlagen zum Fernsehempfang anzubringen und zu betreiben. Das Recht gilt jedoch nur dann, wenn nicht der Vermieter seinerseits über bestimmte technische Vorrichtungen dem Mieter die Möglichkeit gibt, sein Fernsehgerät anzuschließen und Programme zu empfangen. Je nachdem, welche technischen Vorrichtungen der Vermieter zur Verfügung stellt, ist es dem Mieter verwehrt, eigene Vorrichtungen einzubringen. Das Problem ist hierbei allerdings, ob es sich um eine "Schraube ohne Ende" handelt, die Mietvertragsparteien also jeweils "aufrüsten" dürfen und müssen, um letztlich jedem Mieter unabhängig von der deutschen oder ausländischen Staatsangehörigkeit jedweden Fernsehempfang von jedem Sender rund um die Welt zu ermöglichen. Die Einzelheiten dazu ergeben sich bei der Untersuchung der privatrechtlichen Ebene Vermieter/Mieter.
Rz. 49
Europarechtliche Ebene
Neben der (nationalen) verfassungsrechtlichen Ebene ist die europarechtliche Ebene beachtlich, zu der allerdings – und das sei sogleich vorweggenommen – dieselben Aspekte zur Informationsfreiheit maßgeblich sind wie zur mittelbaren Drittwirkung des Art. 5 GG.
Auslöser einer Dis...