Rz. 75
Der vertragsgemäße Gebrauch der Wohnung bringt naturgemäß eine gewisse Lärmentwicklung mit sich – Umherlaufen in der Wohnung, Betrieb von Haushaltsgeräten, Rundfunk- und Fernsehempfang, Unterhaltungen, Feiern, Pflege von Hausmusik und dgl. Das alles gehört zum Wohnen und beeinträchtigt die Räume als solche nicht. Daher wird das Maß der durch den vertragsgemäßen Gebrauch der Räume verursachten Geräusche im Wesentlichen durch Abwehransprüche anderer Mieter und auch des Vermieters als Mitbewohner (z. B. §§ 861, 1004) eingegrenzt. Die Geräusch-/Lärmentwicklungen in den einzelnen Räumen/Wohnungen sind also in Beziehung zueinander zu setzen, woraus sich der allgemeine Satz herleiten lässt, dass die jeweiligen anderen Mietvertragsparteien in Beachtung des vertragsimmanenten Gebots der Rücksichtnahme nicht über Gebühr durch Lärm beeinträchtigt werden dürfen. Davon unabhängig sind die sich aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergebenden Verbote von übermäßiger Lärmentwicklung zu beachten (vgl. die jeweiligen landesrechtlichen Regelungen, z. B. die Berliner Verordnung zur Bekämpfung des Lärms v. 14.6.1984, GVBl. S. 862).
Zur mietrechtlichen Abgrenzung von Rechten und Pflichten im Rahmen der Geräuschentwicklung erhalten hier die Hausordnungen – unabhängig von möglichen Individualvereinbarungen – Bedeutung, da so vor allem zeitmäßige Einschränkungen für bestimmte Tätigkeiten vereinbart werden können, die per se zu höheren Lärmimmissionen führen. Die Hausordnungen als allgemeine Geschäftsbedingungen unterliegen allerdings den Kriterien §§ 305 ff. Mangels konkreter gesetzlicher (privatrechtlicher) Regelungen ist in diesem Zusammenhang auf die Üblichkeit von zeitlichen Einschränkungen zurückzugreifen. Dabei können die öffentlich-rechtlichen Vorschriften der jeweiligen Lärmverordnungen herangezogen werden, die wiederum selbst auf üblichen zeitlichen Gepflogenheiten beruhen.
Aus den vertraglichen Vereinbarungen der Hausordnung ergeben sich Rechte des Vermieters, vom Mieter eine eingeschränkte Lärmentwicklung einfordern zu können. Teilweise wird angenommen (vgl. OLG München, Urteil v. 21.1.1992, 13 U 2289/91, WuM 1992, 238; Sternel, Mietrecht aktuell, Rn. 248; Palandt/Weidenkaff, § 535 Rn. 11), dass auch der einzelne Mitmieter aus der Hausordnung Rechte gegen andere Mieter herleiten könne. Dazu wird das Rechtsinstitut des Vertrags zugunsten Dritter herangezogen. Das ist dogmatisch zweifelhaft, mag jedoch letztlich dahinstehen; denn auch im Rahmen von Abwehransprüchen der Mieter untereinander aus §§ 861, 1004 sind die üblichen zeitlichen Einschränkungen zur Lärmentwicklung heranzuziehen. Selbst ohne Hausordnung besteht die vertragliche Nebenpflicht, ortsübliche Ruhezeiten einzuhalten (vgl. auch Bub/Treier/Kraemer, III A Rn. 1052).
Der einzelne Mieter kann sich demgegenüber nicht auf Art. 2 Abs. 1 GG mit dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit berufen. Abgesehen davon, dass sich aus dem Abwehrrecht gegenüber der Staatsgewalt nicht ohne weiteres privatrechtliche Ansprüche herleiten lassen, sind die Rechte der anderen Mitbewohner zu beachten, so dass es bei dem allgemeinen Grundsatz bleibt, dass die Mitbewohner nicht mehr als unvermeidbar beeinträchtigt oder gefährdet werden dürfen (vgl. dazu auch Schmidt-Futterer/Blank, B Rn. 214).
Im Einzelfall ist die Abgrenzung allerdings ausgesprochen schwierig (Gather, DWW 1993, 345 [350]: allgemeingültige Aussagen sind daher nur im Grundsätzlichen möglich).
Rz. 76
Abgrenzungen sind in dreierlei Hinsicht vorzunehmen:
Zeitliche Begrenzung
Die Nachtruhe wird allgemein für die Zeit von 22.00 bis 8.00 Uhr (teilweise 6.00 Uhr – LG Berlin, Urteil v. 6.2.2015, 63 S 236/14, GE 2015, 656 bzw. 7.00 Uhr) angesetzt. Für das Wochenende gilt die Sonntagsruhe. Eine Mittagsruhe kann von 13.00 bis 15.00 Uhr bestimmt werden.
Lärmpegel
Öffentlich-rechtlich werden teilweise für bestimmte Gebiete (Gewerbe-, Dorf-, Wohn-, Kleinsiedlungsgebiete usw.) bestimmte Werte nach dB (A) festgesetzt (Sportanlagenlärmschutzverordnung v. 18.7.1991, BGBl. I S. 1588). Das lässt sich mietrechtlich nicht übertragen. Es kommt vielmehr auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen (vgl. BGH, Urteil v. 20.11.1992, V ZR 82/91, DWW 1993, 70; BGH, Urteil v. 5.2.1993, V ZR 62/91, ZMR 1993, 269) im Verhältnis zur bestimmten Lärmquelle (z. B. Bohrlärm im Gegensatz zu Radiomusik) an. In diesem Zusammenhang gibt es auch den Begriff der Zimmerlautstärke, die dann gewahrt ist, wenn die Geräusche außerhalb der geschlossenen Wohnung nicht mehr oder kaum noch vernommen werden können (LG Berlin, Urteil v. 19.10.1987, 13 O 2/87, DWW 1988, 83; AG Neuss, Urteil v. 1.7.1988, 36 C 232/88, DWW 1988, 355; AG Düsseldorf, Urteil v. 28.7.1988, 20 C 79/87, DWW 1988, 357).
Lärmquelle
Vermeidbare und nicht vermeidbare Lärmquellen
Zu differenzieren ist nach vermeidbaren (z. B. Musikempfang, Musizieren, Bohren, Nageln) und nicht vermeidbaren (Betrieb von Haushaltsgeräten, Duschen, Baden) Lärmquellen (zum Baden vgl. LG Köln, Urt...