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§ 266, wonach der Schuldner/Mieter zu Teilleistungen nicht berechtigt ist, spielt in der mietrechtlichen Praxis keine Rolle, da die Vorschrift durch § 242 insofern eingeschränkt ist, als der Gläubiger/Vermieter Teilleistungen nicht ablehnen darf, wenn ihm die Annahme unter Würdigung aller Belange und eigener schutzwürdiger Interessen zuzumuten ist (Palandt/Grüneberg, § 266 Rn. 9).
Bei (Teil-)Leistungen des Mieters auf Mietrückstände ist grundsätzlich die Tilgungsbestimmung des Mieters maßgebend (analog § 366). Eine Tilgungsbestimmung des Gläubigers/Vermieters sieht das Gesetz nicht vor, kann jedoch vereinbart werden. Bei einer entsprechenden Formularklausel sind § 307 – angemessene Regelung – und § 305c – überraschende Klausel – zu beachten.
Wird die Miete zum Ende eines Monats beglichen, so hängt die Erfüllungswirkung (für den auslaufenden oder aber den bevorstehenden Monat) zunächst davon ab, ob die Auslegung das Vorliegen einer Tilgungsbestimmung ergibt. Ist ein tatsächlicher Wille nicht zu ermitteln, oder ist er von Irrtum oder Unkenntnis beeinflusst, so kann sich eine Tilgungsbestimmung – und damit ein Ausschluss des § 366 Abs. 2 BGB – auch aus dem mutmaßlichen Willen des Leistenden ergeben. Bei behördlichen Leistungen für Unterkunft und Heizung muss der Vermieter den in § 22 SGB II geregelten Auftrag der Sozialbehörden als (ggf. auch stillschweigend verfolgtes) Leistungsinteresse gegen sich gelten lassen. Dieses Interesse ist darauf gerichtet, die Unterkunft des Anspruchsberechtigten zu sichern, um dadurch gegenwärtigen und künftigen Wohnbedarf zu sichern. Kann diesem Leistungsinteresse durch eine von mehreren denkbaren Verbuchung des eingegangenen Betrages entsprochen werden, so ist eine andere Behandlung der Zahlung wegen Nichtbeachtung der (stillschweigende) Tilgungsbestimmung unzulässig (LG Berlin, Beschluss v. 8.1.2018, 66 S 240/17, GE 2018, 327). Grundsätzlich kann aber aus der Zahlung der Miete innerhalb eines Monats nicht geschlossen werden, dass die laufende Miete gezahlt werden soll (OLG Düsseldorf, Urteil v. 9.3.2000, 10 U 34/99, GE 2000, 600 [601]; a. A. LG Berlin, Urteil v. 17.10.2000, 64 S 257/00, NZM 2002, 65), sodass die Zahlungen des Mieters zunächst auf die älteste Forderung zu verrechnen sind (§ 366 Abs. 2). Erfolgt die Mietzahlung nicht durch den Mieter selbst, sondern durch Hilfspersonen oder Dritte, muss sich aus der Zahlung eine für den Vermieter nachvollziehbare Tilgungsbestimmung ergeben (LG Berlin, Beschluss v. 2.3.2021, 67 S 319/20, WuM 2021, 351).
Sind Mietrückstände aus mehreren Jahren oder mehreren Monaten offen, ist bei Fehlen einer Verrechnungsbestimmung des Mieters gem. § 366 Abs. 2 stets eine Anrechnung auf die ältesten Mieten vorzunehmen, weil diese dem Vermieter wegen der früheren Verjährung geringere Sicherheiten bieten (BGH, Urteil v. 21.3.2018, VIII ZR 84/17, WuM 2018, 278; BGH, Urteil v. 21.3.2018, VIII ZR 68/17, NZM 2018, 444). Für die Tilgung der jeweiligen Miete unzureichende Zahlungen oder Gutschriften sind aus demselben Grund zunächst auf eine etwa darin enthaltene Forderung auf Erbringung von Betriebskostenvorauszahlungen zu verrechnen.
In der bis zum gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Termin erfolgten Zahlung der laufenden Miete liegt die stillschweigende Verrechnungsbestimmung, dass damit keine Rückstände oder ausstehende Nebenkostenforderungen getilgt werden (LG Köln, Urteil v. 26.9.1990, 10 S 117/90, WuM 1991, 98 [99]; LG Berlin, GE 1992, 1045).
Unwirksame Formularklausel
Unwirksam sind Formularklauseln in Wohnraummietverträgen, nach denen die Verrechnung ohne Rücksicht auf die Leistungsbestimmung des Mieters im Belieben des Vermieters steht (BGH, Urteil v. 20.6.1984, VIII ZR 337/82, BGHZ 91, 375 [380]; OLG Düsseldorf, Urteil v. 8.5.2008, I-10 U 11/08, ZMR 2009, 275) oder der Mieter "unwiderruflich sein Einverständnis erklärt, dass der Vermieter Teilleistungen auf die jeweils ältere Schuld verrechnen darf" (LG Mannheim, Urteil v. 11.5.1994, 4 S 199/93, DWW 1995, 112) oder dass "Zahlungen des Mieters zunächst auf Kosten etwaiger Rechtsverfolgung einschl. Mahnkosten und Verzugszinsen, Rückstand auf Miete, Neben- bzw. Betriebskosten" (OLG Celle, Urteil v. 29.12.1989, 2 U 200/88, WuM 1990, 103; für Gewerberaummietverträge offen gelassen von OLG Düsseldorf, Urteil v. 9.3.2000, 10 U 34/99, GE 2000, 600 [601]) oder auf "Betriebskostenforderungen und erst danach auf die übrige Miete zu verrechnen sind" (LG Köln, Beschluss v. 22.11.1994, 12 T 295/94, WuM 1995, 315).
Ohne Verrechnungsbestimmung des Mieters oder eine Verrechnungsvereinbarung erfolgende Teilzahlungen des Mieters darf der Vermieter zunächst auf die Betriebskostenvorschüsse verrechnen, weil es sich bei dieser Forderung um eine solche handelt, die dem Vermieter geringere Sicherheit bietet (BGH, Urteil v. 21.3.2018, VIII ZR 84/17, a. a. O., Rn. 53; BGH, Urteil v. 21.3.2018, VIII ZR 68/17, a. a. O.; OLG Brandenburg, Urteil v. 6.1.2015, 6 U 134/13, GE 2015,590; OLG Köln, Urteil v. 11.6.2...