Rz. 108
Mit Zahlung der Miete erlischt die Mietforderung für den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt (§ 362). Bei der Zahlung unter Vorbehalt ist es problematisch, ob auch Erfüllung eintritt, was z. B. bei einer Zahlung unter Vorbehalt innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 weitreichende Folgen haben kann. Zu unterscheiden ist zwischen dem schlichten und dem qualifizierten Vorbehalt.
Rz. 109
Schlichter Vorbehalt
Versieht der Mieter seine Zahlung mit einem einfachen Vorbehalt ohne nähere Zusätze, ist anzunehmen, dass der Schuldner lediglich dem Verständnis seiner Leistung als Anerkenntnis nach § 212 entgegentreten und die Wirkung des § 814 ausschließen möchte, sich also die Möglichkeit offen halten will, das Geleistete gem. §§ 812 ff. aus ungerechtfertigter Bereicherung zurückzufordern. Der schlichte Vorbehalt steht also der Erfüllungswirkung nicht entgegen (AG München, Urteil v. 30.3.2015, 425 C 731/15, NZM 2016, 314); eine Befriedigung nach § 543 Abs. 2 kann eintreten mit der Folge, dass eine etwaige Kündigung unwirksam wird.
Für die Forderung aus ungerechtfertigter Bereicherung muss nach allgemeinen Beweisgrundsätzen allerdings der Anspruchsteller, hier also der die Rückzahlung fordernde Mieter, die Berechtigung seiner Forderung darlegen und ggf. beweisen. Es ist also Sache des Mieters, die Nichtberechtigung der Forderung des Vermieters nachzuweisen, was sich auch auf die Zusammensetzung der Miete bezieht. Die Zahlung unter Vorbehalt ändert an diesen grundsätzlichen Beweislastverteilungen nichts (BGH, NJW 1982, 1147 und BGH, Urteil v. 6.5.1982, VII ZR 208/81, NJW 1982, 2301 [2302]; BGH, Urteil v. 8.2.1984, IVb ZR 52/82, NJW 1984, 2826; Palandt/Grüneberg, § 362 Rn. 14).
Rz. 110
Qualifizierter Vorbehalt
Die Erfüllung nach § 362 tritt dann nicht ein, wenn der Mieter ohne Anerkennung seiner Schuld unter Vorbehalt einer Rückforderung ohne Veränderung der den Vermieter treffenden Beweislast seine Leistung erbringt, dem Leistungsempfänger im Rückforderungsstreit also die Beweislast für das Bestehen des Anspruchs auferlegt werden soll (BGH, Urteil v. 8.2.1984, IVb ZR 52/82, NJW 1984, 2826 [2827]; BGH, Urteil v. 19.1.1983, VIII ZR 315/81, NJW 1983, 1111; BGH, NJW-RR 1989, 27 [28]; BGH NJW 1999, 494). Ein Vorbehalt dieser Art lässt die Schuldtilgung in der Schwebe und ist keine Erfüllung i. S. d. § 362. Derartige qualifizierte Vorbehalte lauten in etwa "Zahlung unter Vorbehalt der rechtlichen Klärung" (LG Berlin, GE 1994, 1057) oder "Zahlung unter der Bedingung, dass die Forderung besteht". Da Erfüllungswirkung nicht eintritt, kann der Vermieter eine derartige Vorbehaltszahlung zurückweisen (was er sonst nicht tun darf, um nicht in Gläubigerverzug zu geraten = LG München I, Urteil v. 26.2.1986, 14 S 19812/85, WuM 1987, 223; LG Frankfurt/Main, Urteil v. 7.7.1987, 2/11 S 32/87, WuM 1987, 318). Weist er die Zahlung jedoch nicht (wegen Nichterfüllung infolge des qualifizierten Vorbehalts) zurück, kann sein Verhalten als Hinnahme dieses Vorbehalts gedeutet werden mit der Folge, dass es bei der ursprünglichen Beweislastverteilung innerhalb des Mietrechtsverhältnisses bleibt und es nicht zur Beweislastverteilung im Rahmen der ungerechtfertigten Bereicherung kommt. Dies ist jedoch keine automatische Folge, sondern bedarf der Beurteilung im Einzelfall. Immerhin liegt in dem Einverständnis eine Willenserklärung, die grundsätzlich nicht in einem schlichten Schweigen liegen kann.
Die Gefahr des qualifizierten Vorbehalts liegt in der Nichterfüllung; eine Zahlung mit qualifiziertem Vorbehalt innerhalb der Schonfrist lässt die Kündigung nicht unwirksam werden.
Ein Vorbehalt ist immer dann anzunehmen, wenn die Zahlung des Schuldners/Mieters an den Vermieter nur aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt (BGH, Urteil v. 19.1.1983, VIII ZR 315/81, NJW 1983, 1111). Hier kommt es allerdings nicht zur Umkehr der Beweislast, da die Forderung des Gläubigers noch nicht rechtskräftig festgestellt ist und im Berufungsverfahren überprüft werden kann.