Harald Kinne, Klaus Schach
2.1 Kenntnis des Mangels bei Vertragsabschluss
Rz. 3
Maßgeblicher Zeitpunkt der Mangelkenntnis ist der Vertragsschluss. Sämtliche Rechte aus §§ 536, 536a sind ausgeschlossen; demgemäß auch Ersatzansprüche wegen des Fehlens zugesicherter Eigenschaften. Die positive Kenntnis muss sich auf den konkreten Mangel und auf die Auswirkungen auf den vertragsgemäßen Gebrauch beziehen. Diese Abgrenzung ist schwierig, da häufig Umstände offenbar sind, die auf eine Beeinträchtigung schließen lassen. Sind für den Mieter Umstände ersichtlich, die zweifelsfrei auf einen Mangel schließen lassen, muss von Kenntnis ausgegangen werden (z. B. Feuchtigkeitsschäden in der Wohnung), ohne dass die Ursache selbst bekannt ist (LG Düsseldorf, Urteil v. 16.7.1991, 24 S 823/90, WuM 1992, 368). Auf der anderen Seite reicht die Kenntnis vom Vorhandensein einer Gaststätte nicht, um den Mangel der Lärmbelästigung anzunehmen (vgl. LG Karlsruhe, Urteil v. 8.5.1987, 9 S 394/86, DWW 1987, 234; AG Bonn, Urteil v. 19.7.1990, 5 C 274/90, WuM 1990, 497), ebenso wenig die Kenntnis davon, dass sich im Haus eine Schuhmacherwerkstatt oder ein Büro befindet. Eine Kenntnis des Mieters von der exakten Wohnungsgröße kann nicht allein daraus hergeleitet werden, dass er diese vor Einzug besichtigt hat oder jahrelang dort wohnt (LG Krefeld, WuM 2012, 674). Eine allgemeingültige Abgrenzungsregel kann nicht aufgestellt werden.
Hat der Vermieter bei Abschluss des Mietvertrages zugesagt, offensichtliche Mängel zu beheben, verstößt er gegen Treu und Glauben, wenn er sich auf die Kenntnis des Mieters beruft (OLG Hamburg, WuM 1995, 653).
Verschlechterungen der dem Vermieter bekannten Mängel braucht der Mieter nicht anzuzeigen, um seine Gewährleistungsansprüche zu erhalten (BGH, Beschluss v. 18.3.2014, VIII ZR 317/13, WuM 2014, 278).
Haben mehrere Mieter den Mietvertrag abgeschlossen, reicht die Kenntnis eines Mitmieters, um die Rechtsfolgen des § 536b auszulösen (BGH, Urteil v. 1.12.1971, VIII ZR 88/70, NJW 1972, 249). Wird bei einem Mieterwechsel ein neuer Mietvertrag abgeschlossen, kommt es auf die Kenntnis des neuen Mieters an.
2.2 Grob fahrlässige Unkenntnis des Mangels
Rz. 4
Die Gewährleistungsansprüche der §§ 536,536a BGB sind ferner dann ausgeschlossen, wenn der Mangel dem Mieter infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist. Grobe Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn der Mieter bei Vertragsschluss dasjenige unbeachtet gelassen hat, was jedem verständigen Mieter einleuchtete, also insbesondere offenbare Mängel bei einer Vorbesichtigung nicht erkannt hat (BGHZ 10, 16, 17; BGH, NJW-RR 1994, 1471; KG Berlin, Urteil v. 9.10.2000,12 U 4939/99, GE 2000, 1620; LG Berlin, GE 1996,471; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536b Rn. 17). Während im Strafrecht die Fahrlässigkeit (auch) subjektiv an der Täterpersönlichkeit auszurichten ist, kommt es im Zivilrecht auf einen objektiven Sorgfaltsmaßstab (im Verkehr erforderliche Sorgfalt, § 276) an.
Besichtigte der Mieter daher die Wohnung während der Abendstunden ohne hinreichende Beleuchtung und sind ihm daher offenbare Mängel der Mietsache (z.B. fehlende Türen, fehlender Herd in der Küche, fehlende Badewanne im Bad ohne Dusche) entgangen, schließt er aber dennoch den Mietvertrag ohne Mängelvorbehalt, so ist er wegen grob fahrlässiger Unkenntnis mit seinem Minderungsrecht und etwaigen Schadensersatzansprüchen ausgeschlossen (LG Berlin, GE 1996, 417; Feuerlein, GE 2002, 1110, 1112).
Der Mieter ist allerdings nicht verpflichtet, die Mietsache auf nicht offenbare Mängel (Defekte der Wasserspülung, tropfender Wasserhahn, unzureichende Leistung der Zentralheizung) zu überprüfen (BGHZ 68, 281, 285; BGH, NJW 1980, 777; LG Köln, WuM 2001, 79; AG Köln, WuM 2001, 78, 79). Ein bei Vertragsschluss überstrichener und mit Acryllack verschmierter Fensterrahmen deutet jedoch auch für den Laien darauf hin , dass sich unter dem schlechten Zustand des Anstrichs eventuelle Mängel der Holzrahmen verbergen können; das Unterbleiben einer Untersuchung in diesem Zusammenhang ist jedenfalls grob fahrlässig mit der Folge, dass ein Minderungsrecht des Mieters entfällt (LG Berlin, Urteil v. 15.9.2006, 63 S 153/06, GE 2007, 55).
Teilt in den Fällen der gewerblichen Zwischenvermietung der Endmieter dem gewerblichen Zwischenvermieter einen Mangel der Mietsache mit und wäre letzterem der Mangel bei Besichtigung ohne weiteres aufgefallen, so beruht seine fehlende Kenntnis vom Mangel zumindest auf grober Fahrlässigkeit (LG Saarbrücken, NZM 1999, 706).
Trotz seiner fahrlässigen Unkenntnis von dem Mangel und der daraus folgenden Einschränkung des vertragsgemäßen Gebrauchs kann der Mieter dann mindern und Schadensersatz verlangen, wenn der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen hat (a.A. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536b Rn. 24). Das wäre der Fall, wenn der Vermieter den Mieter von einer eingehenden Besichtigung abgehalten hat, um die Mängel nicht offenbaren zu müssen, oder bei der Besichtigung den Mieter entsprechend abgelenkt hat (Vermieter stellt sich in den Türrahmen zu demjenigen Zimmer, in dem die Tür fehlt, um das Fehlen der Tür zu verdecken).
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