Harald Kinne, Hans-Jürgen Bieber
Rz. 1
Die unmittelbar für Wohnraum geltende Bestimmung ist entsprechend anwendbar auf Grundstücke (§ 578 Abs. 1) und auf Geschäftsräume (§ 578 Abs. 2); für Pachtverhältnisse findet sich eine Abs. 1 entsprechende Regelung in § 585a.
Die Bestimmung stellt eine Ausnahme von der grundsätzlichen Formfreiheit der meisten Vertragstypen des BGB dar und ist im Zusammenhang mit § 566 Abs. 1 und dessen nahezu gleichlautender Regelung in § 571 Abs. 1 a. F. zu verstehen. § 550 hat somit nach allgemeiner Ansicht den Zweck, den späteren Grundstückserwerber entsprechend zu informieren und zu schützen. Er soll darauf vertrauen können, dass im Falle der langfristigen Vermietung nur die schriftlich abgefassten Mietverträge die tatsächliche Vermietungslage wiedergeben. Ob dieser angenommene Schutzzweck noch der wirklichen Regelungslage des § 550 entspricht, ist allerdings zu bezweifeln, gibt es doch die Möglichkeit vielschichtiger Vereinbarungen zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien, die nicht der Schriftform bedürfen (z. B. Bedingung, Stundung, Erlass). Ein Grundstückserwerber weiß also im Prinzip oft nicht, worauf er sich eingelassen hat, was er gekauft hat. Wie auch sonst im Geschäftsleben ist deshalb die Seriosität des Vertragspartners gefragt; entsprechende Absicherungen sind im Kaufvertrag möglich. Demzufolge hat der BGH (Urteil v. 14.7.2004, XII ZR 68/02, NJW 2004, 2962, 2964) auch ausgeführt, dass der Schutzzweck des § 550 es lediglich ermöglichen soll, dem späteren Grundstückserwerber die Kenntnis darüber zu verschaffen, in welche langfristigen bindenden Vereinbarungen er ggf. eintritt (vgl. hierzu auch Bieber, MietRB 2004, 343). Die Bestimmung ist vor allem für die Geschäftsraummiete von Bedeutung, bei der üblicherweise länger als ein Jahr laufende Mietzeiten vereinbart werden, die im Falle der Nichteinhaltung der notwendigen Schriftform sowohl vom Vermieter als auch vom Mieter "ausgehebelt" (Luckey, ZMR 2004, 285) werden können. Bei der Wohnraummiete liegt die Vereinbarung einer länger als ein Jahr dauernden Mietzeit etwa in den Fällen des § 557a Abs. 3 vor oder kommt dann in Betracht, wenn es sich um vor der Mietrechtsreform (wirksam) vereinbarte Kündigungsfristen handelt (BGH, Urteil v. 12.3.2008, VIII ZR 71/07, GE 2008, 796: von Bedeutung war dort die nachträgliche mündliche Vermietung eines Kelleraumes, vgl. hierzu auch BGH, Urteil v. 23.6.2010, VIII ZR 230/09, NZM 2010, 693: Verlängerung um jeweils fünf Jahre), oder wenn der Vermieter ohne zeitliche Begrenzung auf das Recht zur Eigenbedarfskündigung verzichtet (BGH, Urteil v. 4.4.2007, VIII ZR 223/06, GE 2007, 906).
Rz. 2
§ 550 gilt zunächst für alle (Haupt-)Mietverträge über das Mietobjekt, sowohl über Wohnraum als auch über Gewerberaum. Ferner findet die Vorschrift Anwendung auf gemischte Verträge, die aus mietvertraglichen und sonstigen Elementen (Versorgung, Pflege, andere Dienstleistungen) zusammengesetzt sind, sofern die Zusatzleistungen notwendigerweise auf dem Bestehen des "Miet-" Vertrages aufbauen müssen und der mietvertragliche Anteil an den rechtlichen Beziehungen überwiegt. Die Schriftform gilt auch für einen längerfristigen Untermietvertrag, obwohl zwischen Untermieter und Hauptvermieter keinerlei rechtliche Beziehungen bestehen. Denn der Erwerber des mit derartig gestaffelten Mietverhältnissen belasteten Grundstücks ist mittelbar auch an diesen Untermietvertrag gebunden, zumal jetzt die Schutzmöglichkeiten für den Untermieter auch gegenüber dem Hauptvermieter mit der Einführung des § 565 erheblich erweitert worden sind.
Schließlich bedarf auch der kurzfristige Vertrag der Schriftform, wenn er eine Verlängerungsklausel oder eine Optionsklausel enthält, die zu einer über die Jahresfrist hinausgehenden Verlängerung berechtigen. Das gilt auch für die selbstständige Vereinbarung einer Verlängerungsoption, über deren Verlängerungsdauer keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen worden ist. Denn die Vertragslaufzeit beeinflussende Option ist ein wesentlicher Bestandteil des Mietvertrages und bedarf allein bereits deshalb der Schriftform, vorausgesetzt, der Grundmietvertrag hatte eine längere Laufzeit als ein Jahr (KG, Beschluss v. 27.3.2007 ,8 U 163/06, GE 2007, 1486).
Ausübung der Option
Die Ausübung der Option bedarf jedoch nicht der Form (BGH, Urteil v. 21.11.2018, XII ZR 78/17, NZM 2019, 172; im Anschluss an Senatsurteile v. 11.4.2018, XII ZR 43/17, NZM 2018, 515 und v. 5.2.2014, II ZR 65/13, NJW 2014, 1300; umstr.: a.A. Schmidt-Futterer/Eisenschmidt, § 550 Rn. 12 m.w.N. für die Gegenmeinung).
Unter § 566 Abs. 1 fällt allerdings nicht der Vorvertrag, weil der Grundstückserwerber nicht in die sich hieraus ergebenden Pflichten eintritt (BGH, Urteil v. 7.3.2007, XII ZR 40/05, NJW 2007, 1817; OLG Brandenburg, Urteil v. 25.3.2009, 3 U 172/07, ZMR 2010,23). Ist im Vorvertrag vereinbart, dass ein langfristiges Mietverhältnis begründet werden soll, so sind beide Parteien allerdings zur Mitwirkung am Zustandekommen des schriftlichen und damit der Form...