Harald Kinne, Klaus Schach
Rz. 8
Welche Härtegründe zugunsten des Mieters berücksichtigt werden müssen, ist in dem gem. § 578 Abs. 2 Satz 1 auch auf Gewerberaummietverhältnisse entsprechend anzuwendenden Absatz 2 des § 555d nicht mehr beispielhaft aufgezählt. Daher können auch über die in § 554 Abs. 2 Satz 3 a. F. beispielhaft aufgeführten Härtegründe hinaus weitere Gründe die Duldungspflicht ausschließen. Jedoch sind zumindest die bisherigen Gründe maßgebend, da die bisherigen Abwägungsgründe nur aus Gründen der sprachlichen Straffung der Norm entfallen sind (RegEntw-BT-Drucks. 17/10485 S. 21) Zugunsten des Mieters zu berücksichtigen sind weiterhin
- die vorzunehmenden Arbeiten,
- die baulichen Folgen,
- vorausgegangene Aufwendungen des Mieters,
Dagegen ist die aus der zu erwartenden Mieterhöhung und der Höhe der künftigen Betriebskosten resultierende Härte gem. § 555d Abs. 2 Satz 2 nicht mehr bei der Abwägung im Rahmen der Duldungspflicht berücksichtigungsfähig, sondern erst im Rahmen der Mieterhöhung. Bei der Duldung der Maßnahmen sind vielmehr nur die sonstigen Härtegründe zu berücksichtigen.
2.2.1 Vorzunehmende Arbeiten
Rz. 9
Zu den Härtegründen rechnen die mit der Abwicklung der Maßnahmen verbundenen Beeinträchtigungen sowie die baulichen Auswirkungen – etwa für den Zuschnitt der gemieteten Räume. Die Modernisierungsmaßnahmen können von einer geringfügigen Belästigung bis zur vorübergehenden Unbewohnbarkeit der Mieträume reichen. Plant der Vermieter derart umfangreiche Modernisierungs- und Instandhaltungsarbeiten, dass ein Verbleib in der Wohnung für den Mieter für längere Zeit unmöglich ist, kann eine nicht zu rechtfertigende Härte vorliegen, die eine Duldungspflicht des Mieters ausschließt (LG Berlin, Urteil v. 20.7.2021, 64 S 215/19, GE 2021, 1265; LG Berlin, Urteil v. 17.5.2018. 64 S 145/17, WuM 2018, 564; LG Berlin, Urteil v. 17.2.2016 , 65 S 301/15, WuM 2016, 282 = GE 2016,725; LG Berlin, Urteil v. 27.3.2015, 63 S 359/12, WuM 2015, 486; LG Berlin, Urteil v. 18.10.2013, 63 S 446/12, GE 2014,12; LG Berlin, Urteil v. 18.10.2013, 63 S 359/12, WuM 2014, 96). Der Mieter muss die Umsetzung in eine andere Wohnung für die Dauer von umfangreichen Modernisierungsmaßnahmen dann nicht dulden, wenn unvermeidliche Verzögerungen im Bauablauf für ihn wegen seiner gesundheitlichen Situation unzumutbar sind (LG Berlin, Urteil v. 17.12.2014, 67 S 66/14, GE 2015, 388). Auch für einen berufstätigen Mieter sind jedoch Modernisierungsarbeiten für drei Wochen bzw. 15 Arbeitstage nicht unzumutbar (LG Berlin, Urteil v 12.8.2016, 65 S 108/16, GE 2016, 1574); ebenso ist ein Umzug von bis zu 10 Tagen zumutbar (AG München, Urteil v. 30.12.2016, 453 C 22061/15, ZMR 2017, 985), nicht jedoch für drei Monate (LG Berlin, Urteil v. 17.5.2018, 64 S 145/17, GE 2018, 1061). Da alle Umstände umfassend gewürdigt werden müssen, kommen zunächst einmal solche in Betracht, die sich aus der Person des Mieters, seiner Familie oder der Angehörigen seines Haushalts ergeben. So sind etwa umfangreiche Modernisierungsarbeiten in einer kleinen Wohnung für einen alten Menschen unzumutbar (LG Berlin, GE 1983, 1067: 82-jährige in Ein-Zimmer-Wohnung). Umfangreiche, die Nutzung der Wohnung stark beeinträchtigende Arbeiten, können für einen körperbehinderten oder schwer erkrankten oder sehr alten Mieter unzumutbar sein (AG Hamburg, WuM 1988, 359). Ebenso soll die komplette Verstärkung der Elektroinstallation in einem Arbeitsgang (Schlitze fräsen, Leitungen verlegen, Beiputzen) unzumutbar sein (LG Frankfurt/Main, Urteil v. 2.5.1989, 2/11 S 257/88). Dagegen muss auch ein kranker, aber räumungsfähiger Mieter den Austausch seiner Wohnungseingangstür gegen eine sichere DIN-gerechte Tür dulden (LG Bremen, Urteil v. 11.1.2013, 4 S 28/11, ZMR 2013, 346).
Auch aus dem Zeitpunkt der Durchführung von Bauarbeiten können sich Bedenken gegen die Zumutbarkeit ergeben. Der Einbau von neuen Fenstern und Türen während der kalten Jahreszeit ist regelmäßig unzumutbar (AG Berlin-Charlottenburg, MM 1986, Nr. 11, 31; AG Köln WuM 1975, 225; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, 555d Rn. 25). Gleiches gilt, wenn der Mieter, ein Familien- oder Haushaltsangehöriger vorübergehend schwerer erkrankt ist. Auch wenn das Mietverhältnis nur noch kurze Zeit besteht, kann der Vermieter gehalten sein, die Modernisierungsarbeiten zu verschieben (AG Berlin-Wedding, Urteil v. 23.8.1978, 8 C 193/78, ZMR 1979, 48; Bieber in MünchKomm, § 554 a. F. Rn. 30). Allerdings kann auch in solchen Fällen der Mieter zur Duldung verpflichtet sein, wenn sich anderenfalls etwa die Baukosten unverhältnismäßig erhöhen würden (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, 555d Rn. 26).
2.2.2 Bauliche Folgen
Rz. 10
Gegen die Zumutbarkeit können auch die baulichen Folgen der Maßnahme sprechen. Unzumutbar sind Maßnahmen, durch die die Mietsache so umgestaltet wird, dass sie mit dem ursprünglichen Vertragsgegenstand nicht mehr vergleichbar ist. Der Mieter, der eine Wohnung mit bisher als normal angesehener Ausstattung gemietet hat, braucht es gegen seinen Willen nicht hinzunehmen, dass die Wohnung einen wesentlich anderen Zus...