Klaus Schach, Hans-Jürgen Bieber
Rz. 17
§ 556b Abs. 2 beschränkt – unabhängig von § 536 Abs. 4 und den vorrangig zu prüfenden §§ 307, 309 Nr. 3 – für ab dem 1.9.2001 abgeschlossene Wohnraummietverträge die Möglichkeit, das Aufrechnungsrecht des Mieters vertraglich einzuschränken. Für die Zeit vor dem 1.9.2001 gilt weiterhin § 552a a. F. Der Mieter kann nunmehr entgegen einer vertraglichen Vereinbarung nicht nur mit Schadensersatzansprüchen (§ 536a Abs. 1), sondern auch mit Aufwendungsersatzansprüchen, und zwar sowohl solchen aus § 536a Abs. 2 als auch solchen aus § 539 aufrechnen. Außerdem kann die Aufrechnung mit Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen zu viel gezahlter Miete nicht mehr vertraglich ausgeschlossen werden. Wegen dieser Ansprüche kann auch sein Zurückbehaltungsrecht nicht ausgeschlossen werden. Ob es sich dabei um Individualverträge oder Formularverträge handelt, ist unerheblich. Für Formularverträge sind jedoch vorrangig die sich aus § 307 und § 309 Nr. 2 und Nr. 3 (vgl. oben Rn. 4) ergebenden Einschränkungen zu beachten (Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, § 556b Rn. 23). Ist die Formularklausel daher deswegen unwirksam, weil sie auch die Aufrechnung mit unbestrittenen oder rechtskräftig zuerkannten Forderungen ausschließt (§ 309 Nr. 3), greift § 556b nicht ein, weil er wirksam vereinbarte Klauseln voraussetzt. § 556b wird also im Wesentlichen bei Klauseln, deren Begriffe von den gesetzlichen Begriffen abweichen, und bei Individualvereinbarungen relevant. Ferner ist – auch bei Individualvereinbarungen – § 536 Abs. 4 zu berücksichtigen, der eine Einschränkung des Minderungsrechts in Wohnraummietverträgen ausschließt (BGH, RE v. 26.10.1994, VIII ARZ 3/94, GE 1995, 40).
Rz. 18
In einem Wohnraummietvertrag ist gem. § 536 Abs. 4 die individual- oder formularvertragliche Regelung unwirksam, dass die Aufrechnung gegen Mietforderungen ausgeschlossen ist, soweit der Mieter nicht unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen geltend macht (BGH, RE v. 26.10.1994, VIII ARZ 3/94, GE 1995, 40). Denn dadurch wird die Aufrechnung des Mieters mit einem infolge eingetretener Minderung entstandenen Rückzahlungsanspruch ausgeschlossen, weil dieser Rückzahlungsanspruch i. d. R. streitig sein wird. Darin liegt aber eine unzulässige Einschränkung des Minderungsrechts des Mieters, der bei Wirksamkeit dieser Aufrechnungsklausel sonst gezwungen wäre, selbst auf Rückzahlung zu klagen, nachdem er die geminderte Miete bereits gezahlt hat. Da die Vereinbarung schon gem. § 536 Abs. 4 unwirksam ist, greift § 556b ebenfalls nicht mehr ein.
Rz. 19
Umstritten war, ob die Klausel wirksam ist, wonach zwar die Aufrechnung nicht auf unbestrittene oder rechtskräftig zuerkannte Forderungen beschränkt ist, aber von einer vorherigen Ankündigung einen Monat vor Fälligkeit der Miete abhängig gemacht wird (vgl. dazu Rn. 4). Für die Forderungen aus §§ 536a, 539 und aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen zu viel gezahlter Miete ist aber in § 556b Abs. 2 Satz 1 nunmehr ausdrücklich geregelt, dass der Wohnraummieter zumindest nach rechtzeitiger Anzeige von der Absicht zur Aufrechnung oder zur Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts entgegen einer derartigen vertraglichen Bestimmung aufrechnen und sein Zurückbehaltungsrecht ausüben kann. Ist im Mietvertrag die Aufrechnung nur dadurch eingeschränkt, dass sie einen Monat vor der Fälligkeit der Miete in Textform angezeigt werden muss, ist sie gem. § 556b Abs. 2 wirksam; unabhängig davon kann aber die Formularklausel insoweit bereits gem. § 309 Nr. 2 unwirksam sein, als sie auch das Zurückbehaltungsrecht von der vorherigen Ankündigung abhängig macht.
Rz. 20
In Wohnraummietverträgen kann die Aufrechnung mit Ersatzansprüchen aus § 536a (vgl. dort), § 539 und aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen (wegen Minderung, preisrechtlich unzulässiger Miete oder unwirksamer Betriebskostenvereinbarung) zu viel gezahlter Miete ab 1.9.2001 nicht mehr ausgeschlossen werden. Zu den Forderungen, mit denen der Mieter entgegen einer vertraglichen Bestimmung aufrechnen darf, gehört nach dem Sinn und Zweck des § 556b auch der Anspruch auf Vorschuss für die Mängelbeseitigung. Enthält der Mietvertrag einen derartigen Aufrechnungsausschluss, kann der Mieter trotzdem mit einer der in § 556b Abs. 2 Satz 1 aufgeführten Forderungen aufrechnen, allerdings nur gegen Mietforderungen des Vermieters, nicht gegenüber anderen Ansprüchen (z. B. aus positiver Vertragsverletzung usw.). Zu den Mietansprüchen des Vermieters gehören auch die Forderungen auf Betriebskostenvorauszahlungen oder auf die Betriebskostenpauschale und Betriebskostennachforderungen aus Betriebskostenabrechnungen sowie auf Auszahlung von Guthaben (Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, § 556b Rn. 27).
Rz. 21
Voraussetzung für die Erhaltung der Möglichkeit des Mieters, mit Gegenforderungen aus §§ 536a, 539 und § 812 entgegen einem mietvertraglichen Aufrechnungsverbot aufzurechnen, ist die Anzeige der Aufrechnungsabsicht einen Monat vor der Fälligkeit der Mietforderung des ...