Rz. 10
Im Gegensatz zum früheren § 2 MHG verwendet das Gesetz in § 558 Abs. 2 den Begriff der ortsüblichen Vergleichsmiete. Es handelt sich um eine von der Literatur und Rechtsprechung entwickelte Begriffsschöpfung, die als schlagwortartige Umschreibung des Gesetzesvorhabens des ehemaligen § 2 MHG galt. Gemeint sind damit gem. § 558 Abs. 2 die üblichen Entgelte, die in der Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einschließlich der energetischen Ausstattung und Beschaffenheit in den letzten sechs Jahren vereinbart oder geändert worden sind, soweit es sich nicht um Wohnraum handelt, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist. Gebildet wird die ortsübliche Vergleichsmiete aus dem Durchschnitt aller Mieten (BGH, Urteil v. 29.2.2012, VIII ZR 346/10, ZMR 2012, 528) für vergleichbaren Wohnraum, die zum Zeitpunkt des Zugangs (BGH, Urteil v. 15.3.2017, VIII ZR 295/15, ZMR 2017, 552) des Erhöhungsverlangens gezahlt werden.
§ 558 legt bestimmte Kriterien fest, nach denen die ortsübliche Vergleichsmiete zu ermitteln ist. Davon zu unterscheiden ist die Marktmiete, die anhand derselben, aber auch anhand anderer Kriterien ermittelt werden kann. So sind die Kriterien des § 558 Abs. 2 für die Entwicklung der Gewerbemiete ohne rechtlichen Belang, wird diese durch den Markt nach Angebot und Nachfrage reguliert und bestimmt sich auch nach wirtschaftspolitischen Erwartungen und ähnlichen Gesichtspunkten (z. B. in Berlin zur Hauptstadtentwicklung).
Rz. 11
Das allgemeine Wohnungsmietenniveau wird durch die Bestandsmieten, d. h. durch die vereinbarten Entgelte im laufenden Mietverhältnis, und durch die Neuabschlüsse bestimmt. Für Letztere gilt § 558 nicht (unmittelbar); die anhand der Kriterien des § 558 zu ermittelnde ortsübliche Vergleichsmiete wirkt jedoch insofern dämpfend, als die beim Neuabschluss des Mietvertrags vereinbarte Miete nicht gegen § 291 StGB verstoßen darf. Für § 5 WiStG müssen alle Voraussetzungen erfüllt sein. Es besteht also kein Automatismus, dass eine Miete von mehr als 20 % oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete gegen § 5 WiStG verstößt und insofern unwirksam ist. Dem Gesetzgeber war das bewusst und er hat sowohl die den Mietanstieg dämpfende Bestandsmiete als auch die Neuabschlussmieten in den Mietenpool einfließen lassen. § 558 Abs. 2 schreibt vor, dass zur Ermittlung des repräsentativen Querschnitts der Mieten (vgl. BayObLG, Beschluss v. 19.3.1981, Allg.Reg 7/81, NJW 1981, 1219) als ortsübliche Vergleichsmiete nur die genannten Kriterien, nämlich Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage des Wohnraums heranzuziehen sind. Die zu ermittelnden Daten haben sich an diesen Kriterien auszurichten, so dass man von empirisch-normativen Größen spricht. Damit bedingen sich die mit gesetzlichen Vorgaben ermittelte ortsübliche Vergleichsmiete und die Marktverhältnisse gegenseitig (Doppelnatur der ortsüblichen Vergleichsmiete: Beuermann, a. a. O., § 2 MHG Rn. 19b). Das ist vom Gesetzgeber so gewollt, weil sich die Mieten eben anhand der ortsüblichen Vergleichsmiete, nicht anhand der Marktmiete entwickeln sollen.
Rz. 12
Objektive Wohnwertmerkmale
Bei den Kriterien des § 558 Abs. 2 handelt es sich um objektive Wohnwertmerkmale (BGH, Urteil v. 29.4.2020, VIII ZR 355/18, ZMR 2020, 632). Damit scheiden subjektive Kriterien, z. B. Teilmärkte für bestimmte Mietergruppen (Ausländer, Studenten, Wohngemeinschaft und dgl.) aus.
Andererseits fließen alle Mieten, also auch Staffelmieten (Schmidt-Futterer/Börstinghaus § 558 Rn.104), Indexmieten (Schmidt-Futterer/Börstinghaus § 558 Rn.102), Mieten von ehemals preisgebundenem Wohnraum, der aufgrund der öffentlich-rechtlichen Förderung ein bestimmtes Niveau erreicht hatte, in die ortsübliche Vergleichsmiete ein. Denn das Gesetz spricht nur allgemein von verlangter Miete und differenziert hier nicht weiter.
Bei der ortsüblichen Vergleichsmiete handelt es sich damit um einen Durchschnittswert, der anhand der gesetzlichen Vorgaben nach Wohnwertmerkmalen ermittelt wird. Da es sich um ein Grobraster handelt, ist ein genauer arithmetischer Wert nicht feststellbar. Die Durchschnittswerte schlagen sich vielmehr in Mietspannen mit einem statistisch zu ermittelnden Mittelwert nieder. Die Schwierigkeit liegt nun darin, die spezielle Wohnung anhand der ermittelten ortsüblichen Vergleichsmiete einzuordnen, um eine auf den Pfennig/Cent genaue Miete festzustellen. Dieser Schritt von Durchschnittswert mit Bandbreite zur genauen Miete kann nur durch Wertung vollzogen werden. Im Konfliktfall geschieht das durch das Gericht, das die Zustimmung des Mieters ersetzt (§ 894 ZPO). Ansonsten ist diese Wertung den Mietvertragsparteien überlassen, deren häufiges Unverständnis über die komplizierte gesetzliche Regelung verständlich ist.
Rz. 13
Die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete für die bestimmte Wohnung vollzieht sich in zwei Schritten:
- Ermittlung des Durchschnittswertes;
- Einordnung der s...