Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Wohngeldvorauszahlungsansprüche nach Wirtschaftsplan kann einzelner Miteigentümer nicht allein prozessual geltend machen
Normenkette
§ 21 Abs. 1, 2 WEG, § 27 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 WEG, § 28 WEG, § 43 WEG
Kommentar
Der BGH hat entgegen der Meinung des vorlegenden KG Berlin [ KG Berlin, Entscheidung v. 24. 1. 1990, Az.: 24 W 1408/89] im Sinne der Rechtsprechung des BayObLG zur umstrittenen Frage der Klagebefugnis eines einzelnen Eigentümers entschieden, dass der Zahlungsantrag eines einzelnen Eigentümers gegen einen Wohngeld schuldenden Miteigentümer mangels Klagebefugnisunzulässig ist; auch insoweit ist die sog. actio pro socio (analog dem Gesellschaftsrecht) nicht anwendbar.
1. Miteigentümer können also den allen Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zustehenden Anspruch auf Zahlung des einem beschlossenen Wirtschaftsplan entsprechenden Vorschusses nicht allein ohne Prozessführungsermächtigungsbeschluss geltend machen; es geht hier nicht um Rückgriffs- oder Befreiungsansprüche (vgl. BGH, NJW 85, 912), sondern um allen Eigentümern gemeinschaftlich zustehende Ansprüche gemäß § 28 Abs. 2 WEG.
2. Über die prozessuale Geltendmachung solcher Wohngeldvorauszahlungsansprüche entscheidet die Gesamtheit der Wohnungseigentümer, weil die Einziehung von Wohngeldbeträgen Gegenstand gemeinschaftlicher Verwaltung im Sinne des § 21 Abs. 1 WEG ist. Die Ausführung von Beschlüssen ist nicht Sache des einzelnen Eigentümers, sondern des Verwalters ( § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG). Er hat die Vorschüsse von Wohngeldschuldnern abzurufen. Aber auch die gesetzliche Vertretung des Wohngeldinkassos durch den Verwalter ( § 27 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5 WEG) berechtigt diesen nicht, im Namen der Wohnungseigentümer Ansprüche gerichtlich und außergerichtlich geltend zu machen (erforderlich ist entsprechende Ermächtigung!).
Wie der Senat in BGHZ 106, 222/227 dargelegt hat, bezweckt diese Einschränkung der Vertretungsmacht des Verwalters den Schutz der Interessen der Gesamtheit der Wohnungseigentümer. Die Gemeinschaft selbst soll entscheiden, ob ein Anspruch geltend gemacht wird. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Wohnungseigentümer aus dem Gemeinschaftsverhältnis und aus § 432 BGB gegen andere Wohnungseigentümer einen Individualanspruch auf Erfüllung der Vorschusspflicht hat; denn jedenfalls ist er aus den dargelegten Gründen nicht zur gerichtlichen Verfolgung des Anspruchs befugt.
Der vorliegende Fall ist auch vergleichbar mit dem des BGH (BGHZ 106, 222, 227/228) zur verneinten Einzelklagebefugnis bzgl. einer Schadensersatzklage gegen den Verwalter. Auch hier müssen die Belange des einzelnen Eigentümers an der Rechtsverfolgung nicht immer und ohne weiteres mit dem wohlverstandenen Interesse der Gemeinschaft deckungsgleich sein. Billige Rücksichtnahme auf den Schuldner kann im Einzelfall Anlass sein, die Verfolgung des Anspruchs zurückzustellen; es kann auch angebracht sein, damit so lange zu warten, bis ein etwa schwebendes Verfahren über die Wirksamkeit des Wirtschaftsplanes abgeschlossen ist; unkoordiniertes Vorgehen kann zudem die Verwaltung erschweren. Bei Anerkennung einer actio pro socio könnte der maßgebende Gesamtwille der Eigentümer unterlaufen werden.
Ohne einen dazu ermächtigenden Gemeinschaftsbeschluss ist somit ein Wohnungseigentümer - abgesehen von dem hier nicht gegebenen Fall der Notgeschäftsführung ( § 21 Abs. 2 WEG) - nicht berechtigt, den Anspruch auf Wohngeldvorschuss gerichtlich geltend zu machen. Der Hinweis auf das jedem Eigentümer zustehende Recht nach § 21 Abs. 4 WEG auf ordnungsgemäße Verwaltung wird dadurch nicht beeinträchtigt, da der einzelne Eigentümer bei Untätigkeit der Gemeinschaft oder bei sachwidriger Ablehnung der Rechtsverfolgung eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen kann.
3. Vorliegend fehlte im Beschluss auch eine nach§ 28 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 WEG erforderliche Regelung der anteilmäßigen Verpflichtung der Wohnungseigentümer zur Lasten- und Kostentragung. Auf die fragwürdige Ansicht (Hervorhebung durch Verf.) des vorliegenden Gerichts, dass der besagte Beschluss der Wohnungseigentümer trotz unterbliebener Lasten- und Kostenverteilung eine materiell hinreichende Rechtsgrundlage für die streitige Vorschusspflicht der Beteiligten geschaffen habe, musste aufgrund der Antragszurückweisung als unzulässig nicht mehr eingegangen werden.
Link zur Entscheidung
( BGH, Beschluss vom 20.04.1990, V ZB 1/90= NJW 90, 2386)
Gruppe 7: Gerichtliches Verfahren
Anmerkung:
1. Mit dieser Grundsatzentscheidung ist im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des BayObLG nunmehr festgeschrieben, dass einzelne Eigentümer grundsätzlich nicht berechtigt sind, Wohngeldbeträge gegen schuldende Miteigentümer ohne entsprechenden ermächtigenden Beschluss einzuklagen. Ob die Entscheidung im Ergebnis sachdienlich ist (m. E. zu verneinen), muss derzeit nicht weiter vertiefend diskutiert werden.
Nur soviel sei kritisch angemerkt: Ich sehe nach wie vor einen Unterschied zwischen einem etwa geltend gemachten gemeinschaftlichen Schadenersatzans...