Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
2.3.1 Innergemeinschaftliche Kommissionsgeschäfte
Gelangt Kommissionsware im Rahmen einer Verkaufskommission bei der Zurverfügungstellung vom Kommittenten an den Kommissionär von einem Mitgliedstaat der EU in einen anderen Mitgliedstaat, handelt es sich regelmäßig um ein innergemeinschaftliches Verbringen i. S. d. § 1a Abs. 2 UStG und § 3 Abs. 1a UStG. Im Rahmen dieses Verbringens müsste der Kommittent im Herkunftsland eine steuerbare, aber steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung und im Bestimmungsland einen innergemeinschaftlichen Erwerb besteuern. Anschließend würde sich dann für ihn eine ruhende Lieferung (Lieferung Kommittent an Kommissionär) im Bestimmungsland zu dem Zeitpunkt ergeben, zu dem die Ware von dem Kommissionär an den Abnehmer veräußert wird.
Aus Vereinfachungsgründen hat die Finanzverwaltung es jedoch zugelassen, dass (als Wahlrecht) schon gleich bei dem Transport der Ware zwischen Kommittent und Kommissionär ein innergemeinschaftlicher Erwerb beim Kommissionär zu besteuern ist. Für den Kommittenten ergibt sich damit im Bestimmungsland weder ein innergemeinschaftlicher Erwerb noch eine darauf folgende steuerbare Lieferung, er hat lediglich in seinem Heimatstaat eine steuerbare, aber steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung direkt gegenüber dem Kommissionär anzumelden. Im Ergebnis wird bei Ausübung des Wahlrechts der Vorgang so zwischen Kommittent und Kommissionär abgewickelt, als wenn kein Kommissionsgeschäft vorliegen würde und der Kommissionär als Eigenhändler auftreten würde.
Abstimmung zwischen Kommittent und Kommissionär notwendig
Bei Inanspruchnahme der Vereinfachungsregelung müssen sich Kommittent und Kommissionär vorab darüber einigen, welche Bemessungsgrundlage für die innergemeinschaftliche Lieferung des Kommittenten anzugeben ist, da unabhängig vom späteren Verkaufserfolg der Kommissionsware schon im Zeitpunkt des Verbringens der Kommittent in seiner Zusammenfassenden Meldung und der Erwerber in seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung diesen Vorgang angeben müssen; darüber hinaus müssen je nach Abwicklung unterschiedliche Aufzeichnungen geführt werden. Soweit sich später die Bemessungsgrundlage ändern sollte, ist aus Vereinfachungsgründen von einer Berichtigung abzusehen, wenn der Kommissionär bezüglich der Erwerbsteuer in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
2.3.2 Dreifachumsatz bei Sicherungsübereignung
Ein besonderer Fall ergibt sich im Zusammenspiel zwischen Sicherungsübereignungund Kommissionsgeschäft. Wird ein zur Sicherung übereigneter Gegenstand verwertet und überlässt es der Sicherungsnehmer dem Sicherungsgeber, den Gegenstand in eigenem Namen, aber für Rechnung des Sicherungsnehmers zu verkaufen, liegen nach der Rechtsprechung des BFH 3 Lieferungen vor: Der Sicherungsgeber liefert (1) den Gegenstand im Rahmen der Sicherungsübereignung an den Sicherungsnehmer, dieser liefert (2) im Rahmen des Kommissionsgeschäfts – hier als Kommittent handelnd – den Gegenstand an den Sicherungsgeber zurück. Der Sicherungsgeber tritt gegenüber dem Käufer als Kommissionär auf und liefert (3) somit im Rahmen des Kommissionsgeschäfts den Gegenstand an den Erwerber. Allerdings ist Voraussetzung für eine zu einem Dreifachumsatz führende Lieferung durch den Sicherungsgeber an Dritte, dass die Verwertungsreife vorliegt. Diese ist gegeben, wenn es sich nach den zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer bestehenden Vereinbarungen um ein Verwertungsgeschäft und damit um eine Lieferung zur Rückführung des vom Sicherungsnehmer an den Sicherungsgeber gewährten Darlehens handelt. Nicht ausreichend ist eine Veräußerung, die der Sicherungsgeber im Rahmen seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit vornimmt, bei der der Sicherungsgeber berechtigt ist, den Verwertungserlös anstelle der Rückführung des Kredits auch anderweitig z. B. für den Erwerb neuer Waren zu verwenden.
Reverse-Charge-Verfahren bei Sicherungsübereignung beachten
Bei der Lieferung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer – hier die erste Lieferung – ist zu beachten, dass der Leistungsempfänger (Sicherungsnehmer) zum Steuerschuldner für die ihm gegenüber ausgeführte Lieferung wird.