Das VG sieht das auch so! Die Erfüllung von Gebühren und Abgaben in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum sei eine gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG gemeinschaftsbezogene Pflicht (Hinweis auf BGH, Urteil v. 14.2.2014, V ZR 100/13, Rz. 5). Der Abgabengläubiger könnte daher auch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Zahlung heranziehen. Diese Möglichkeit habe B indes nicht bedacht. Weil der Gebührenbescheid deshalb an einem Ermessensausfall leide, sei er rechtswidrig.
Hinweis
Bietet der Staat seinen Bürgern eine Leistung an, kann er deren Erbringung verschieden "konstruieren". Eine Möglichkeit ist ein Vertragsschluss ("Verwaltungsprivatrecht"). Dann schuldet das Entgelt für die Leistung der Vertragspartner. Dieser Vertragspartner ist in der Regel die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Handelt der Staat, wie im Fall, bei einer Leistungserbringung im Wege des öffentlichen Rechts, verlangt er in der Regel eine Abgabe (Beitrag, Gebühr, Steuer). Diese Abgabe schulden – soweit sie auf das gemeinschaftliche Eigentum bezogen ist – grundsätzlich (was gilt, bestimmt das jeweilige Gesetz) die Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner. Eine Abgabenforderung ist also eine "gemeinschaftsbezogene Pflicht". Diese Pflicht muss die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erfüllen. Nach h. M. muss die Pflicht aber auch jeder Wohnungseigentümer erfüllen. Vor diesem Hintergrund muss der Staat bei der Frage, ob er einen einzelnen Wohnungseigentümer, sämtliche Wohnungseigentümer oder die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in Anspruch nimmt, Ermessen ausüben. Hieran fehlte es im Fall. Kommt es zu einer Ermessensausübung, muss diese meines Erachtens in der Regel dazu führen, nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in Anspruch zu nehmen.
Repetitorium: Wohnungseigentümer wird in Haftung genommen
Wird ein Wohnungseigentümer für eine Abgabenschuld in Haftung genommen, für die er neben den anderen Wohnungseigentümern gesamtschuldnerisch haftet, ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verpflichtet, die entsprechende Forderung so zu behandeln, als wäre sie ausschließlich gegen sie selbst gerichtet. Sie hat die Forderung also zu begleichen, soweit diese berechtigt ist oder, wenn sie Zweifel an deren Rechtmäßigkeit hat, im Zusammenwirken mit dem in Anspruch genommenen Wohnungseigentümer Maßnahmen zu ergreifen, um die Forderung abzuwehren und eine Vollstreckung gegen den Wohnungseigentümer aus dem Bescheid zu verhindern. Mit dieser Verpflichtung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geht ein entsprechender Freistellungsanspruch des in Anspruch genommenen Wohnungseigentümers einher.
Erfüllt der vom Staat als Gesamtschuldner in Anspruch genommene Wohnungseigentümer eine Abgabenforderung aus eigenen Mitteln, steht ihm gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ein Erstattungsanspruch zu. Ein solcher Anspruch besteht grundsätzlich auch dann, wenn der Wohnungseigentümer die Forderung aus dem Leistungsbescheid begleicht, ohne dies mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zuvor abzustimmen. Denn der Wohnungseigentümer hat ein schutzwürdiges Interesse daran, die Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen in sein Vermögen durch den Abgabengläubiger zu verhindern. Rechtsbehelfe gegen den Abgabenbescheid hindern dessen Vollstreckung grundsätzlich nicht. Ebenso wenig steht dem Wohnungseigentümer gegenüber dem Abgabengläubiger ein Anspruch auf Gewährung eines Zahlungsaufschubs bis zu einer Willensbildung durch die Wohnungseigentümer zu. Er bleibt daher im Außenverhältnis zur Zahlung innerhalb der vorgegebenen Frist verpflichtet und kommt, will er Säumnisfolgen oder eine Vollstreckung verhindern, häufig nicht umhin, die Forderung zunächst aus eigenen Mitteln zu begleichen.
Zwar ist es der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht verwehrt, gegenüber einem Wohnungseigentümer, der die Forderung des Abgabengläubigers ohne vorherige Absprache beglichen hat, Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des Leistungsbescheids zu erheben. Das berechtigt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aber nicht zu einer Zahlungsverweigerung, wenn der Wohnungseigentümer – etwa durch Einlegung eines Widerspruchs gegen den Abgabenbescheid – der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Möglichkeit offengehalten hat, die Rechtmäßigkeit des Bescheids verwaltungsgerichtlich überprüfen zu lassen. Nur ausnahmsweise kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in einem solchen Fall gegenüber dem Wohnungseigentümer die Erstattung des von ihm verauslagten Betrags verweigern, nämlich dann, wenn sie darlegt und beweist, dass sie bei rechtzeitiger Information den – zu einer Mitwirkung verpflichteten – Wohnungseigentümer zur Einleitung verwaltungsgerichtlicher Maßnahmen veranlasst hätte, und dass dadurch dessen Zahlungspflicht aus dem Abgabenbescheid vorläufig abgewendet worden wäre.
Über diese Rechtslage muss der Verwalter die Wohnungseigentümer regelmäßig belehren.
4.1 Entscheidung
VG Gera, Urteil v. 14.11.2019, 2 K 2248/18