1 Leitsatz
Erfolgt die Übertragung von Miteigentumsanteilen "uno actu" mit der Begründung von Wohnungs- und Teileigentum gem. § 3 WEG, handelt es sich um denselben Beurkundungsgegenstand im Sinne von § 109 Abs. 1 GNotKG.
2 Normenkette
§§ 3, 4 Abs. 2 Satz 1 WEG; §§ 86, 109 Abs. 1 GNotKG
3 Das Problem
Die Miteigentümer A bis D (Miteigentümer zu je ¼) schließen einen Teilungsvertrag und begründen 3 Wohnungseigentumsrechte. Im Teilungsvertrag werden 963/10.000 Miteigentumsanteile (MEA) von Miteigentümer D auf Miteigentümer A übertragen. Nach Auffassung des Präsidenten des Landgerichts handelt es sich beim Teilungsvertrag und der Übertragung der Miteigentumsanteile um gegenstandsverschiedene Beurkundungsinhalte, was sich in Bezug auf die übertragenen Miteigentumsanteile werterhöhend auswirke (= der Notar hätte mehr Gebühren nehmen müssen).
Dies sieht der Notar nicht so. Die Beurkundung eines Teilungsvertrags und die damit verbundene Übertragung von Miteigentumsanteilen könnten rechtlich in einem Akt erfolgen ("uno actu"). In diesem Fall sei gem. § 4 Abs. 2 Satz 1 WEG lediglich von einem auflassungsähnlichen Vorgang auszugehen. Die Bildung von Wohnungseigentum unter gleichzeitiger Veränderung der Miteigentumsanteile sei kostenrechtlich gegenstandsgleich.
4 Die Entscheidung
Das LG beurteilt die Rechtslage im Ergebnis wie der Notar.
Sowohl die Begründung von Wohnungseigentum gem. § 3 WEG als auch die Übertragung von Miteigentumsanteilen sei allerdings jederzeit gesondert möglich. Auch gebe es keine gesetzliche Regelung, wonach es sich bei dem einen Beurkundungsgegenstand um eine gesetzliche Folge des anderen handele. Ein einheitliches Rechtsverhältnis könne auch nicht daraus abgeleitet werden, dass bei § 3 WEG die Begründung von Wohnungseigentum und die Übertragung von Miteigentumsanteilen "uno actu" erfolgen könnten. Die entsprechende Beurkundung und grundbuchliche Umsetzung sei zwar wohnungseigentumsrechtlich anerkannt (Hinweis u. a. auf BGH, Beschluss v. 10.2.1983, V ZB 18/82 und KG Berlin, Beschluss v. 7.6.1994, 1 W 6026/93, NJW 1995 S. 62). Die Frage der beurkundungstechnischen Praxis und der grundbuchrechtlichen bzw. materiell-rechtlichen Umsetzung sei jedoch etwas anderes als die kostenrechtliche Behandlung und die Einordnung im Rahmen des § 86 GNotKG.
Dies sage jedoch nichts darüber aus, ob es sich auch um verschiedene Beurkundungsgegenstände oder um denselben Beurkundungsgegenstand handele. Jedenfalls nach Auffassung der Kammer sei davon auszugehen, dass es sich bei den beiden Rechtsverhältnissen in Abweichung von § 86 Abs. 2 GNotKG um denselben Beurkundungsgegenstand i. S. v. § 109 Abs. 1 Satz 1 und 2 GNotKG handele.
5 Hinweis
Problemüberblick
Nach § 92 BNotO steht dem Präsidenten des Landgerichts das Recht zur Aufsicht über die Notare und Notarassessoren des Landgerichtsbezirks zu. Dieses Recht ist auch eine Pflicht. Im Rahmen seiner Pflichtausübung hat der Landgerichtspräsident im Fall die Gebührenrechnung eines Notars beanstandet. In der Sache geht es um die Begründung von Wohnungseigentum durch einen Teilungsvertrag nach § 3 WEG. Dieser ist ein sachenrechtliches Rechtsgeschäft. Die Miteigentümer müssen dort u. a. die Anzahl der Miteigentumsrechte bestimmen sowie das Verhältnis der Miteigentumsrechte zueinander. Eine Möglichkeit besteht darin, dass das Wohnungseigentum den bereits bestehenden Miteigentumsanteilen zugeordnet wird. Die Miteigentümer können die Zahl der Miteigentumsanteile aber auch verändern. Bei dieser "Gelegenheit" können die Miteigentümer Miteigentumsanteile von einem Wohnungseigentümer auf den anderen übertragen. Der Landgerichtspräsident war der Auffassung, dass eine solche Übertragung ein weiteres Rechtsgeschäft sei und dass dafür weitere Gebühren anfallen müssten. Dies sah der beurkundende Notar anders.
Rechtsgeschäfte
Das LG ist mit dem Landgerichtspräsidenten der richtigen Ansicht, dass 2 Rechtsgeschäfte vorliegen. Der Teilungsvertrag hat mit Übertragung von Miteigentumsanteilen sachenrechtlich nichts zu tun. Die Übertragung ist ein weiteres Rechtsgeschäft, das sich allerdings aus Anlass eines Teilungsvertrags häufig anbietet.
Kosten
Für die Kosten verweist das LG auf § 109 Abs. 1 GNotKG. Danach liegt derselbe Beurkundungsgegenstand vor, wenn Rechtsverhältnisse zueinander in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen und das eine Rechtsverhältnis unmittelbar dem Zweck des anderen Rechtsverhältnisses dient. Ein solches Abhängigkeitsverhältnis liegt vor, wenn das andere Rechtsverhältnis der Erfüllung, Sicherung oder sonstigen Durchführung des einen Rechtsverhältnisses dient. Bei einem Teilungsvertrag und der Übertragung von Miteigentumsanteilen kann man fragen, ob die Übertragung der Durchführung des Teilungsvertrags "dient". Das LG bejaht diese Frage. Ich wäre da noch ein wenig skeptisch, habe aber Sympathien für diese Auffassung des Landgerichts. Jedenfalls bleibt die Rechtsentwicklung abzuwarten.
6 Entscheidung
LG Offenburg, Beschluss v. 20.1.2022, 4 OH 15/21