1.6.1 Rückwirkende Feststellung der Versicherung
Wenn rückwirkend ein Versicherungsverhältnis festgestellt und Beiträge nacherhoben werden, steht dem ein Leistungsanspruch gegenüber. Hat der Versicherte aus Unkenntnis der Versicherungspflicht die Sach- und Dienstleistungen der Krankenkasse nicht in Anspruch nehmen können, steht ihm eine Kostenerstattung in Höhe der sonst von der Krankenkasse zu erbringenden Aufwendungen zu. Der Erstattungsanspruch vermindert sich um die bei Inanspruchnahme der Sach- und Dienstleistung zu leistenden Zuzahlungen oder Kostenanteile.
1.6.2 Systemversagen
Durch die Richtlinie zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (MVV-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) wird festgelegt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (z. B. Ärzte oder Zahnärzte) Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden zulasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Gleichzeitig wird durch die Richtlinie der Umfang der geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt. Ärztliche/zahnärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die (noch) nicht in die Richtlinie aufgenommen sind, werden von den Krankenkassen nicht übernommen. Die Krankenkasse erlässt darüber einen Verwaltungsakt.
Ein Anspruch auf Kostenerstattung ergibt sich, wenn das Verfahren vor dem G-BA von den antragsberechtigten Stellen oder dem G-BA
- überhaupt nicht,
- nicht zeitgerecht oder
- nicht ordnungsgemäß
betrieben wird und dies auf eine willkürliche oder sachfremde Untätigkeit oder Verfahrensverzögerung zurückzuführen ist oder ein Beschluss gegen höherrangiges Recht verstößt (Systemversagen). Der Verwaltungsakt der Krankenkasse stellt sich als rechtswidrig dar und ist aufzuheben.
Systemversagen
Zu einem Systemversagen kommt es, wenn der G-BA aus sachfremden Gründen die ihm als Normgeber obliegende Beobachtungspflicht verletzt, indem er eine neue Studienlage übergeht, die nach den gesetzlichen Maßstäben Anlass zur erneuten Überprüfung eines einmal gefassten Gruppenbildungsbeschlusses gibt
1.6.3 Lebensbedrohliche Erkrankungen
Versicherte, die an einer
- lebensbedrohlichen Erkrankung,
- regelmäßig tödlichen Erkrankung oder
- wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung
leiden, können Leistungen beanspruchen, die nicht als Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden durch den Gemeinsamen Bundesausschuss zugelassen sind. Es muss eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehen. Die Leistung ist vor dem Beginn der Behandlung zu beantragen. Die Krankenkasse erklärt die Kostenübernahme.
Erklärt die Krankenkasse nicht die Kostenübernahme, kann der Versicherte verlangen, dass die von ihm getragenen Kosten erstattet werden.
1.6.4 Seltenheitsfall
Die Krankenkasse ist ausnahmsweise auch außerhalb ihres Leistungskatalogs in einem Seltenheitsfall leistungspflichtig. Kosten einer selbst beschafften Leistung sind zu erstatten. Ein Seltenheitsfall setzt voraus, dass eine Krankheit weltweit nur extrem selten auftritt und deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann.
Erforschbarkeit
Geringe Patientenzahlen stehen einer wissenschaftlichen Erforschung nicht entgegen, wenn die Ähnlichkeit zu weit verbreiteten Erkrankungen eine wissenschaftliche Erforschung ermöglicht.