Leitsatz
Die in Bonn lebende Klägerin nahm ihren in Berlin lebenden geschiedenen Ehemann auf Zahlung von Ehegattenunterhalt in Anspruch. Der von ihr beauftragte Prozessbevollmächtigte aus Bonn nahm zwei Gerichtstermine selber wahr, obgleich er in Bonn Mitglied einer überörtlichen Sozietät war, die auch in Berlin eine Niederlassung hatte.
Die Vollmacht war der gesamten Sozietät gegenüber erteilt worden.
Der BGH hatte sich mit der Frage der Erstattungsfähigkeit der Reisekosten des Bonner Prozessbevollmächtigten der Klägerin auseinanderzusetzen.
Das Verfahren zwischen den Parteien endete in zweiter Instanz mit einem Urteil, das die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin zu 44 % und dem Beklagten zu 56 % auferlegte.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Klägerin u.a. Kosten i.H.v. 995,89 EUR geltend gemacht, die durch die Anreise ihres Bonner Prozessbevollmächtigten zu zwei Verhandlungsterminen in Berlin entstanden seien (Reisekosten und Abwesenheitsgeld). Die Rechtspflegerin des AG hat diese Kosten - soweit sie nicht im einstweiligen Anordnungsverfahren angefallen waren - berücksichtigt und festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten hat das KG eine Einbeziehung der Reisekosten in den Kostenausgleich abgelehnt.
Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrte die Klägerin die Wiederherstellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des AG.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Die Rechtsbeschwerde führte zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht. Der BGH hielt die Reisekosten des Bonner Prozessbevollmächtigten der Klägerin für erstattungsfähig.
Eine Partei, die ihre Belange in angemessener Weise wahrgenommen wissen wolle, werde in aller Regel einen Rechtsanwalt in ihrer Nähe aufsuchen, um dessen Rat in Anspruch zu nehmen und ihn ggf. mit der Prozessvertretung zu beauftragen. Sie werde dies wegen der räumlichen Nähe und auch in der Annahme tun, dass zunächst ein persönliches mündliches Gespräch erforderlich sei. Diese Erwartung sei berechtigt, denn für eine sachgemäße gerichtliche oder außergerichtliche Beratung und Vertretung sei der Rechtsanwalt zunächst auf die Tatsacheninformation der Partei angewiesen.
Hieraus folge, dass die durch die weitere Interessenvertretung anfallenden Kosten in Form von Reisekosten und Abwesenheitsgeldern zu auswärtigen Gerichten notwendig und damit erstattungsfähig seien. Nichts anderes gelte dann, wenn nach außen der Auftrag an eine überörtliche Sozietät erteilt werde und diese am Sitz des zuständigen Gerichts eine Niederlassung habe.
Eine auswärtige Partei könne nicht darauf verwiesen werden, ihre Vertretung im Termin zur Kostenersparnis einem am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Anwalt der mandatierten überörtlichen Sozietät zu überlassen. Der BGH hat insoweit maßgeblich auf das Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant abgestellt. Dieses bestehe nicht zu einer Kanzlei insgesamt, sondern zu dem einzelnen Ansprechpartner und Sachbearbeiter in der Kanzlei. Sei dieser Einzelanwalt, könne nicht verlangt werden, dass er bei einem auswärtigen Verfahren einen Rechtsanwalt vor Ort für die Terminswahrnehmung einschalte, um Kosten zu sparen. Er könne vielmehr im Interesse des Mandanten selber anreisen. Im Interesse des Mandanten gelte aber nichts anderes bei der Beauftragung einer Großkanzlei, weil er in diesem Fall den Rechtsanwalt vor Ort ebenso wenig kenne wie einen Kollegen aus einer anderen Kanzlei, der von einem Einzelanwalt zugezogen wird.
Hinweis
Eine begrüßenswerte Entscheidung des BGH, die der regelmäßig vorliegenden Interessenlage der Partei auch kostenrechtlich Rechnung trägt. Das Lokalisationsprinzip wurde aufgehoben, um dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant Rechnung zu tragen. Hierauf weist auch der BGH in seiner Entscheidung hin. Für eine Partei ist es in der Regel nicht egal, ob sie einen an ihrem Wohnsitz tätigen Anwalt beauftragt oder von einem seiner Kollegen, der seinen Geschäftssitz am Ort des Prozessgerichts hat, vertreten wird.
Der BGH hat ein lange währendes Defizit beseitigt, und zwar gerade auch für die Fallgestaltung, in der am Ort des Prozessgerichts ein Sozius des am Wohnort der Partei ansässigen Anwalts residiert.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 16.04.2008, XII ZB 214/04