1 Leitsatz
Eine vorrangige Kostenerstattung im alten WEG-Recht war gerechtfertigt, wenn der Verwalter einen Rechtsanwalt für die beklagten Wohnungseigentümer beauftragt hatte.
2 Normenkette
§ 50 WEG a. F.
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K wendet sich gegen einen Beschluss, mit dem sein Antrag, Gewährleistungsansprüche gegen die Bauträgerin außergerichtlich und gerichtlich zu verfolgen, abgelehnt worden ist. Bei dieser Anfechtungsklage, die noch dem alten Recht unterliegt, beauftragen die Wohnungseigentümer 10 und 11, Gesellschafterinnen der Bauträgerin, zu ihrer Verteidigung einen eigenen Rechtsanwalt. Im Rahmen der Kostenentscheidung zu dieser Klage ist zu klären, ob eine Vertretung durch mehrere bevollmächtigte Rechtsanwälte i. S. v. § 50 WEG a. F. "geboten" war.
4 Die Entscheidung
Der BGH verneint die Frage! Zwar hätten die Wohnungseigentümer 10 und 11 kein Interesse an der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gegen die Bauträgerin. Die übrigen Wohnungseigentümer verfolgten aber dasselbe prozessuale Ziel. Ob das Abstimmungsverhalten der Wohnungseigentümer zu 10 und 11 ansonsten regelmäßig jenem der übrigen Wohnungseigentümer gegenläufig sei, tue nichts zur Sache. Denn eine Lagerbildung als solche genüge nicht. Auch eine quotale Erstattung der den Wohnungseigentümern zu 10 und 11 entstandenen Rechtsanwaltskosten sei nicht angezeigt. Eine vorrangige Kostenerstattung sei gerechtfertigt, wenn der Verwalter einen Rechtsanwalt für die beklagten Wohnungseigentümer beauftragt habe. So liege es hier. Einer mehrheitlichen Einigung auf die Beauftragung eines bestimmten Anwalts, der zumindest der Versuch einer Verständigung hätte vorausgehen müssen, habe es nicht bedurft.
5 Hinweis
Problemüberblick
Nach § 50 WEG a. F. waren den Wohnungseigentümern als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendige Kosten nur die Kosten eines bevollmächtigten Rechtsanwalts zu erstatten. Mit anderen Worten: Wer auf den vom Verwalter beauftragten Rechtsanwalt nicht vertrauen wollte, war stets berechtigt, selbst einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Er durfte aber nicht damit rechnen, dass die dadurch entstehenden Kosten vom Kläger bezahlt werden, auch wenn dessen Klage abgewiesen wird. Etwas Anderes galt, wenn aus Gründen, die mit dem Gegenstand des Rechtsstreits zusammenhängen, eine Vertretung durch mehrere bevollmächtigte Rechtsanwälte geboten war. Im Fall ist zu klären, ob es "geboten" war, dass die Wohnungseigentümer 10 und 11 sich einen eigenen Rechtsanwalt genommen haben.
Gebotenheit
Der BGH hat geklärt, dass die Beauftragung eines gemeinsamen Rechtsanwalts für die Verteidigung gegen eine Anfechtungsklage grundsätzlich ausreicht und dass die Erstattungsfähigkeit im Regelfall auf diejenigen Kosten beschränkt ist, die bei gemeinsamer Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts entstanden wären. Denn in der Sache verfolgen die beklagten Wohnungseigentümer dasselbe Ziel, nämlich die Abwehr der von der Klägerseite erhobenen Einwendungen gegen die Wirksamkeit eines gefassten Beschlusses. Auch unterschiedliche Rechtsauffassungen der einzelnen beklagten Wohnungseigentümer reichen nicht aus, um die Notwendigkeit einer Mehrfachvertretung zu begründen. Ebenso wenig genügt es, dass ein einzelner Wohnungseigentümer über die Mehrheit der Stimmen verfügt und den angefochtenen Beschluss gegen die Stimmen aller übrigen Wohnungseigentümer herbeigeführt hat. Nach diesen Maßgaben liege auch im Fall kein mit dem Gegenstand des Rechtsstreits zusammenhängender Grund i. S. v. § 50 WEG a. F. vor.
Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?
Jede Verwaltung muss wissen, dass sie als Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dafür verantwortlich ist, die Mängelrechte der Wohnungseigentümer gegenüber dem Bauträger zu verfolgen, die § 9a Abs. 2 WEG unterfallen (nach h. M.: kleiner Schadensersatz und Minderung) oder die, welche die Wohnungseigentümer durch einen Beschluss gem. § 19 Abs. 1 WEG der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Durchführung zugewiesen haben.
6 Entscheidung
BGH, Beschluss v. 4.5.2023, V ZB 2/22