Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 14 Nr. 1 WEG, § 16 Abs. 3 WEG, § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 1004 BGB
Kommentar
1. Auch die Umgestaltung eines Vorgartens ist eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG; insoweit handelte es sich auch hier um eine auf Dauer angelegte gegenständliche Veränderung realer Teile des Gemeinschaftseigentums. Solche Maßnahmen können allerdings auch ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinne des § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG entsprechen und zu Veränderungen der Gartengestaltung führen, die dann schon begrifflich nicht als bauliche Veränderung zu qualifizieren sind. Ist aber ein Garten einmal ordnungsgemäß angelegt, gehen Veränderungen über ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinaus, wenn sie üblicher Gartenpflege widersprechen. Dies trifft z.B. zu bei radikaler Beseitigung vorhandener Bepflanzungen und nach Charakter, Erscheinungsbild und Funktion völlig anderer Neuanlagen eines Gartens (vgl. Senat, FGPrax 96, 47 = NJWE-MietR 96, 85).
Vorliegend ging es um die Beschlussgenehmigung einer solchen völligen Gartenneugestaltung.
2. Auch die Bestandskraft eines unangefochten gebliebenen baulichen Veränderungsbeschlusses steht der Anwendung des § 16 Abs. 3 Halbsatz 2 WEGzugunsten eines nicht zustimmenden Eigentümers nicht entgegen. Nach protokolliertem Wortlaut des Beschlusses beschränkte sich dieser im vorliegenden Fall allein auf die Durchführung der baulichen Veränderung (Umgestaltung der Gartenanlage). Eine Regelung über die Kostentragung wurde nicht ausdrücklich mitbeschlossen und kann auch im Rahmen einer Auslegung nicht in einen solchen Beschluss hineininterpretiert werden (im Sinne einer Umlegung der Kosten nach allgemeinem Verteilungsschlüssel auf alle Eigentümer). Die Bindungswirkung bestandskräftiger Beschlüsse erfolgt ausschließlich nach den betreffenden objektiven Erklärungswerten (h.M.). Subjektive Vorstellungen der beschließenden Wohnungseigentümer haben ohne Berücksichtigung zu bleiben, wenn sie im Beschlusswortlaut keinen Niederschlag gefunden haben. Somit bestand für überstimmte Eigentümer auch kein Zwang zur Beschlussanfechtung in diesem Fall (Bärmann/Pick/Merle, 7. Aufl., § 22 Rz. 216; a.A. Demharter, MDR 88, 265, 267).
3. Mit der bestandskräftigen Beschlussfassung waren allein Ansprüche überstimmter Eigentümer auf Beseitigung der baulichen Veränderung nach § 1004 BGB ausgeschlossen. Allerdings beschränkt sich die Kostenfreistellung des § 16 Abs. 3 Halbsatz 2 WEG nicht allein auf den Fall, dass die Zustimmung eines Wohnungseigentümers nach §§ 22 Abs. 1 Satz 2 und 14 Nr. 1 WEG nicht erforderlich war (mangels entsprechender Beeinträchtigung). Der in Literatur und Rechtsprechung demgegenüber vertretenen Auffassung (Palandt/Bassenge und insbesondere Demharter), dass ein Eigentümer, dessen erforderliche Zustimmung zu einer baulichen Veränderung durch bestandskräftigen Eigentümerbeschluss ersetzt werde, müsse auch dessen Kosten nach allgemeinem Verteilungsschlüssel mittragen, schließt sich der Senat nicht an. Aus dem Wortlaut des § 16 Abs. 3 WEG ergibt sich kein Anhaltspunkt für diese offensichtliche Mindermeinung (wie hier BGHZ 116, 392 = NJW 92, 978; BayObLG, NJW 81, 690, 691; ZMR 87, 190; Müller, Praktische Fragen, Rz. 99, ständige Rechtsprechung des Senats). Jede andere Auffassung würde auf einen "Zirkelschluss" hinauslaufen: Wird nämlich eine bauliche Veränderung durch Mehrheitsbeschluss genehmigt, die sich als solche sachlich nicht störend auf andere Eigentümer auswirkt, so würde sich deren Zustimmungspflicht gerade daraus ergeben, dass diese mit Eintritt der Bestandskraft des Beschlusses anteilig zu den Kosten der baulichen Maßnahmen beizutragen hätten und dadurch über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinaus benachteiligt würden. Eine durch Mehrheitsbeschluss genehmigte bauliche Veränderung wäre dann praktisch immer zustimmungspflichtig; für die Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG bliebe kein Raum (in der Sache ebenso BayObLG, ZMR 87, 190). Ein Eigentümer kann gute Gründe haben, von seinem Recht, einen Mehrheitsbeschluss über eine bauliche Veränderung anzufechten, keinen Gebrauch zu machen; dadurch verliert er jedoch nicht seinen Anspruch, von den durch diese Maßnahme veranlassten Kosten freigestellt zu werden.
4. Vorlagepflicht (zum BGH) entfällt trotz der entgegenstehenden Entscheidung des OLG Frankfurt (OLGZ 81, 313), da die hier vertretene Meinung in Übereinstimmung mit der genannten Entscheidung des BGH steht.
5. Keine außergerichtliche Kostenerstattung bei Geschäftswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens von DM 5.067,-.
Link zur Entscheidung
( OLG Hamm, Beschluss vom 24.03.1997, 15 W 314/96= WE 10/97, 387 = ZMR 7/1997,371)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Die entschiedene Frage erscheint mir trotz der BGH-Entscheidung, auf die sich der Senat neuerlich beruft, noch nicht endgültig geklärt. Werden heute bauliche Veränderungen des Gemeinschaftseigentums mehrheitlich genehmigt (als sog. gesetzes- oder vereinbarungsändernde Zitte...