Leitsatz

Die Risikoausschlüsse gemäß § 4 Abs. 9 MB/KT 78 (stationäre Behandlung in Krankenanstalten, die auch Kuren bzw. Sanatoriumsbehandlungen durchführen) und § 5 Abs. 1 g MB/KT 78 (Kur- und Sanatoriumsbehandlung) halten der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG nicht stand und sind unwirksam, weil sie den VN in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht unangemessen benachteiligen.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 9 MB/KT 78, § 5 Abs. 1 g MB/KT 78, § 4 Abs. 5 MB/KK 76, § 5 Abs. 1 d MB/KK 76, § 9 AGBG

 

Sachverhalt

Der Kl. beansprucht Leistung aus der bei der Bekl. abgeschlossenen Krankentagegeldversicherung. Die Bekl. verneinte ihre Leistungspflicht, weil der Kl. sich in einer so genannten gemischten Anstalt aufgehalten und es versäumt habe, vor Beginn der Behandlung eine nach § 4 Abs. 9 MB/KT 78 erforderliche schriftliche Leistungszustimmung der Bekl. einzuholen.

 

Entscheidung

Nach der Entscheidung des OLG hat der Kl. Anspruch auf Tagegeldzahlung. Der Anspruch sei nicht gem. § 4 Abs. 9 MB/KT 78 ausgeschlossen. Zwar lägen die Voraussetzungen der in dieser Klausel bestimmten Leistungsfreiheit vor; denn der Kl. habe sich in einer so genannten gemischten Anstalt aufgehalten und es versäumt, eine schriftliche Leistungszusage der Bekl. vor Beginn der Behandlung einzuholen. Die Klausel des § 4 Abs. 9 MB/KT 78 sei jedoch unwirksam. Sie halte einer Inhaltskontrolle gem. § 9 Abs. 1 und 2 AGBG nicht stand, weil sie den VN in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht unangemessen benachteilige. Die Frage, ob eine Bestimmung in AVB den VN entgegen den Geboten von Treu und Glauben benachteiligt und eine Gefährdung des Zwecks des Versicherungsvertrags darstellt, sei grundsätzlich danach zu beurteilen, ob der Versicherungsschutz, der durch die AVB konkretisiert wird, sich insgesamt für den VN in einer Weise darstellt, dass gemessen daran eine bestimmte Risikoabgrenzung, Obliegenheitsverletzung oder Ausnahmeregel als unbillig, willkürlich oder überraschend erscheint. Die genannten Unwirksamkeitsgründe seien vorliegend sämtlich erfüllt.

Der Vertragszweck der Krankentagegeldversicherung bestehe darin, den Verdienstausfall des VN im Fall einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung auszugleichen, soweit als Folge einer Krankheit oder eines Unfalls Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist (§ 1 Abs. 1 und 2 MB/KT 78). Die Leistungspflicht des Versicherers trete dabei unabhängig davon ein, ob eine Behandlung in ambulanter oder stationärer Form erfolgt. Ein berechtigtes Interesse des Versicherers an grundsätzlicher Leistungsfreiheit im Fall des Aufenthalts des VN in einer gemischten Anstalt bestehe danach nicht. In der Krankenversicherung sei allerdings allgemein zu Recht anerkannt, dass der Versicherer ein berechtigtes Interesse daran hat, eine generelle Leistungsfreiheit für die Behandlung in gemischten Anstalten vorzusehen, da mit dem Aufenthalt des VN in einer solchen Anstalt ein erhöhtes Risiko verbunden ist. Gegen die Wirksamkeit der entsprechenden Klausel des § 4 Abs. 5 MB/KK 76 bestünden deshalb keine Bedenken. Um das Interesse des Versicherers an der Abwehr unnötiger Kosten gerade des stationären Aufenthalts könne es bei der Krankentagegeldversicherung aber nicht gehen.

Eine Steigerung des subjektiven Risikos des Versicherers durch eine mögliche Simulation der Arbeitsunfähigkeit gerade durch den Aufenthalt in einer gemischten Anstalt sei ebenfalls nicht zu befürchten, da der Aufenthalt als solcher dazu keinen besonderen Anreiz biete.

Nicht überzeugend sei das Argument, der generelle Leistungsausschluss sei gerechtfertigt, weil die Überprüfung der medizinisch notwendigen Heilbehandlung schwierig sei. Ohne die Notwendigkeit irgendeiner Behandlung werde sich ein VN in der Regel nicht in eine gemischte Anstalt begeben und die Notwendigkeit gerade einer stationären Behandlung sei nicht Leistungsvoraussetzung der Krankentagegeldversicherung. Selbst wenn man aber insoweit ein berechtigtes Interesse des Versicherers bejahen würde, erweise sich der generelle Leistungsausschluss als überzogen. Dem Interesse an einer Überprüfung der medizinischen Notwendigkeit einer Heilbehandlung sei hinreichend durch das Verfahren nach § 9 Abs. 3 MB/KT 78 Genüge getan. Gleiches gelte für das Interesse des Versicherers, der Gefahr zu begegnen, dass dem VN die Arbeitsunfähigkeit oder deren Fortbestand in gemischten Anstalten - möglicherweise - zu großzügig bescheinigt wird.

Die Bekl. sei auch nicht gem. § 5 Abs. 1 g MB/KT 78 leistungsfrei. Auch diese Klausel sei gem. § 9 Abs. 1 und 2 AGBG nichtig. So wie allein die Aufnahme in eine gemischte Anstalt keine generelle Leistungsfreiheit berechtigterweise zu begründen vermöge, sei auch eine gänzliche Leistungsfreiheit allein aufgrund des Hinzutretens einer Kur- oder Sanatoriumsbehandlung durch nichts gerechtfertigt. Die zur Nichtigkeit des § 4 Abs. 9 MB/KT 78 dargelegten Gründe gelten entsprechend.

 

Link zur Entscheidung

OLG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 01.10.1997, 2 U 185/97

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?