Leitsatz

Ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung eines Kredits kann in der unmittelbar drohenden Gefahr der Zahlungsunfähigkeit des Darlehensnehmers liegen.

 

Sachverhalt

Die Klägerin gewährte dem Beklagten, einem Radiologen, zur Finanzierung einer Praxisgründung im Sommer 1993 zwei Darlehen über insgesamt 2 Mio. DM mit einer Laufzeit von sechs bzw. zehn Jahren sowie einen bis zum 30.4.1995 befristeten Gewerbekredit über 500 000 DM, der nach Praxiseröffnung "bis auf weiteres" in einen gleich hohen Betriebsmittelkredit umgewandelt wurde. Anfang August 1994 teilte die Bank dem Beklagten mit, die Praxis habe sich aus ihrer Sicht nicht nach den Erwartungen entwickelt. Kurzfristig sei mit einem Liquiditätsengpass zu rechnen. Verfügungen außerhalb der Kreditabsprachen werde sie nicht mehr tolerieren. Die Fortführung des Engagementsmachte die Bank von mehreren Auflagen abhängig, die der Beklagte nicht erfüllte. Die Klägerin kündigte am 26.9.1994 alle Kredite. Nach Verwertung aller Sicherheiten verlangt sie nun die Begleichung eine Restforderung von 1,26 Mio. DM, gegen die der Beklagte mit Schadensersatzansprüchen aufrechnen will. Er hält die Kündigung für ungerechtfertigt. Der BGH gab der klagenden Bank Recht.

 

Entscheidung

Der BGH teilt die Auffassung der Bank, sie sei zur fristlosen Kündigung der Kredite auf der Grundlage von Nr. 19 Abs. 3 Satz 2 AGB Banken berechtigt gewesen. Denn es sei eine wesentliche Verschlechterung der Vermögenslage des Beklagten absehbar gewesen, durch die die Begleichung seine Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin gefährdet war. Laut BGH berechtigt die unmittelbar drohende Gefahr der Zahlungsunfähigkeit des Darlehnsnehmers stets zur Kündigung der Kreditverhältnisse[1]. Diese Gefahr ist dann gegeben, wenn die liquiden Mittel zu einem bestimmten Stichtag nicht mehr ausreichen, die fälligen Verbindlichkeiten auszugleichen. Hierbei sind sämtliche tatsächlich und aktuell verfügbaren Zuflüsse einzubeziehen, während sofort – oder kurz nach dem Stichtag – zu entrichtende Zinsen sich liquiditätsmindernd auswirken. Nicht berücksichtigungsfähig sind überdies noch nicht ausgezahlte Honorare, auf die der Beklagte – zum Stichtag aber nicht erfüllte – Ansprüche gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung hatte. Durch die fehlende Auszahlung standen sie ihm gerade nicht zur Verfügung. Der BGH verweist weiter darauf, dass sich eine ungewisse Entwicklung von Patientenzahlen nicht auf die Frage der Liquiditätsbeurteilung auswirke. Er sieht in dem Verhalten der Bank auch keine – prinzipiell verbotene – Kündigung zur Unzeit. Denn die Bank habe hinreichend deutlich gemacht, dass sie das Engagement nur für den Fall fortbestehender Liquidität fortführen wollte. Dies berühre ein außerordentliches Kündigungsrecht indes nicht. Auch einen Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB sahen die Richter nicht als gegeben an. Insbesondere sei nicht davon auszugehen, dass die Bank das möglicherweise abzusehende Risiko der konkurrenzbedingten Unrentabilität der Praxis gemeinsam mit dem Beklagten hätte übernehmen und daher auf das Recht der Kreditkündigungwegen einer sich abzeichnenden Illiquidität verzichten wollen.

Banken, so der BGH ausdrücklich, sind grundsätzlich nicht verpflichtet, sich um den Verwendungszweck eines Darlehens zu kümmern und Kreditnehmer vor diesbezüglichen Risiken zu warnen[2].

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 20.05.2003, XI ZR 50/02

[1] Vgl. BGH-Beschluss vom 21.9.1989, III ZR 287/88, NJW-RR 1990, S. 110

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge