Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Großzügige Auslegung gestellter Anträge in WE-Verfahren
Normenkette
§ 14 Nr. 1 WEG, § 906 BGB, § 1004 BGB, § 253 ZPO
Kommentar
1. Auf Sonderwunsch wurde in einer EG-Wohnung in der Außenwand der Küche eine mit Filtern ausgestattete Öffnung für einen Dunstabzug angebracht, die in den Bauplänen nicht vorgesehen war. Der Eigentümer im I. OG darüber fühlte sich durch ins Freie tretende Küchengerüche erheblich beeinträchtigt. Zunächst stellte er Antrag auf Verschließen der nach außen gerichteten Öffnung des Dunstabzugs, in II. Instanz auf Verpflichtung, die Dunstabzugshaube als Umluftanlage zu betreiben, um das Auftreten von Küchengerüchen außerhalb der Wohnung auf das zumutbare und unvermeidliche Maß herabzusetzen. Das vom LG eingeholte Sachverständigengutachten gelangte zu dem Ergebnis, dass die Entlüftung der Küche durch geöffnetes Fenster die schlechteste Lösung sei. Auf keinen Fall sei der Bewohner im I. OG durch den Betrieb der Dunstabzugshaube stärker beeinträchtigt als bei einer Entlüftung durch ein Küchenfenster.
2. Im Rechtsbeschwerdeverfahren können grundsätzlich keine neuen Sachanträge gestellt werden, allerdings sind hinsichtlich der Bestimmtheit von Anträgen weniger strenge Anforderungen zu stellen als an Anträge im Zivilprozess nach § 253 ZPO. Anträge in WE-Sachen sind in weitem Umfang auslegungsfähig; auf eine bestimmte Wortwahl kommt es nicht an; ein Richter hat hier den Willen eines Antragstellers zu erkunden und im Übrigen ohne strenge Bindung an den erklärten Antrag in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Die Auslegung der wechselseitigen Anträge des Antragstellers in den einzelnen Rechtszügen dieses Verfahrens, die der Senat ohne Bindung an die Vorinstanzen selbst vornehmen kann, ergibt, dass es dem Antragsteller im Kern stets darum ging, dem Antragsgegner zu untersagen, Küchenabluft durch den Dunstabzug nach außen zu leiten.
3. Behauptete Geruchsbelästigungen sind Nachteile im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG. Nach dieser Bestimmung in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB richtet es sich, ob und in welchem Umfang ein Antragsteller die von der Küche eines Antragsgegners ausgehenden Gerüche hinnehmen muss. Die Bestimmung des § 906 BGB ist im Verhältnis von Wohnungseigentümern zueinander nicht einschlägig; sie kann aber Anhaltspunkt für die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Einwirkungen geben.
Vorliegend wurde allerdings ein Unterlassungsanspruch im Ergebnis verneint. Küchengerüche lassen sich auch außerhalb einer Küche grundsätzlich nicht vermeiden. Durch eine Dunstabzugshaube mit eingebauten Filtern würde jedoch die Situation verbessert gegenüber einer Entlüftung durch ein gekipptes bzw. geöffnetes Fenster (lt. Sachverständigengutachten). Somit ist der Antragsgegner auch nicht verpflichtet, zur noch stärkeren Vermeidung von Küchengerüchen die Dunstabzugshaube als Umluftanlage zu betreiben (unzumutbar ebenfalls nach Sachverständigengutachten).
Mit diesem Ergebnis setzt sich der Senat auch nicht in Widerspruch zur Entscheidung des OLG Köln vom 12. 5. 1997 (WM 97, 453 = ZMR 98, 96 = NJW-RR 98, 83). Das OLG Köln hat in dieser Entscheidung in einem vergleichbaren Fall die grundsätzliche Verpflichtung eines Wohnungseigentümers bejaht, außerhalb der Wohnung auftretende Küchengerüche im Rahmen des Zumutbaren durch den Einbau einer Dunstabzugshaube mit Kohlefilter zu reduzieren, wie es hier schon geschieht; den Betrieb der Küchenentlüftung als Umluftanlage hat auch das OLG Köln nicht in Erwägung gezogen.
4. Auch außergerichtliche Kostenentscheidung im Rechtsbeschwerdeverfahren zu Lasten des in allen Instanzen unterlegenen Antragstellers bei Geschäftswertansatz für die Rechtsbeschwerdeinstanz von DM 3.000,-.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 12.04.2000, 2Z BR 151/99)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer