Leitsatz
§ 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB ist auf Anpassungen der Kostenmiete bei preisgebundenem Wohnraum nicht entsprechend anzuwenden.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Bei Insolvenz des Mieters ist die Kündigung gegenüber dem Insolvenzverwalter (Treuhänder) zu erklären. Anders ist es, wenn der Treuhänder eine Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO abgegeben hat und die 3-monatige Kündigungsfrist abgelaufen ist.
(Leitsatz der Redaktion)
Normenkette
BGB §§ 543 Abs. 2 Nr. 3, 569 Abs. 3
Kommentar
Zwischen der Vermieterin – einer Wohnungsbaugenossenschaft – und der Mieterin bestand ein Mietvertrag ("Dauernutzungsvertrag") über eine öffentlich geförderte, der Preisbindung unterliegende Wohnung. Hinsichtlich der Kündigung ist in § 4 Abs. 4 des Formularvertrags Folgendes geregelt: "Während des Fortbestehens der Mitgliedschaft wird die Genossenschaft von sich aus das Nutzungsverhältnis grundsätzlich nicht auflösen. Sie kann jedoch in besonderen Ausnahmefällen das Nutzungsverhältnis schriftlich unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen kündigen, wenn wichtige berechtigte Interessen der Genossenschaft eine Beendigung des Nutzungsverhältnisses notwendig machen."
Bestandteil des Formularmietvertrags sind außerdem die Allgemeinen Vertragsbestimmungen (AVB), die unter der Nr. 8 vorsehen, dass die Genossenschaft das Mietverhältnis aus wichtigem Grund fristlos kündigen kann. Unter anderem ist hier auch der Zahlungsverzug nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB aufgeführt. Diese Bestimmung ist allerdings durchgestrichen.
Die Mieterin schuldete bis Dezember 2008 folgende Beträge:
Grundnutzungsgebühr: |
338,93 EUR |
Betriebskostenvorauszahlung: |
140,00 EUR |
Heizkostenvorauszahlung: |
50,00 EUR |
|
528,93 EUR |
Die Betriebskostenabrechnung für das Wirtschaftsjahr 2007 schloss mit einem Nachzahlungsbetrag zugunsten der Vermieterin. Im Hinblick hierauf erhöhte die Vermieterin die Betriebskostenvorauszahlungen mit Wirkung vom Januar 2009 um 30,50 EUR auf 170,50 EUR.
Am 8.5.2009 wurde über das Vermögen der Mieterin das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Treuhänder gab am 26.5.2009 gegenüber der Vermieterin eine Erklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO ab.
Mit Schreiben vom 10.6.2009 erhöhte die Vermieterin die Grundnutzungsgebühr für die Zeit ab Juli 2009 um 9,75 EUR auf 348,68 EUR.
Die Mieterin zahlte für die Monate Januar bis Juni 2009 lediglich den bisherigen Betrag von 528,93 EUR. Die Miete für den Monat Juli 2009 hat die Mieterin zunächst nicht bezahlt. Deshalb kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis mit Schreiben vom 7.7.2009 gegenüber dem Treuhänder u.a. wegen folgender Beträge:
Miete Juli 2009: |
569,18 EUR |
Erhöhungsbetrag Betriebskostenvorauszahlung Jan. 2009 bis Juni 2009 (6 x 30,50 EUR): |
183,00 EUR |
Der BGH hatte u.a. über die Wirksamkeit dieser Kündigung zu entscheiden. Bei der gegebenen Sachlage stellen sich 3 Rechtsfragen, nämlich:
- Ist die Kündigung eines Mietverhältnisses über eine öffentlich geförderte, der Preisbindung unterliegende Wohnung ausgeschlossen, wenn der Zahlungsverzug aus einer Mieterhöhung oder einer Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlungen resultiert, über deren Wirksamkeit noch nicht rechtskräftig entschieden ist?
- Wird durch die Klausel in § 4 Abs. 4 des Mietvertrags das Recht des Vermieters zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund ausgeschlossen?
- Muss die Kündigung gegenüber dem Mieter oder gegenüber dem Treuhänder (Insolvenzverwalter) erklärt werden, wenn über das Vermögen des Mieters das Insolvenzverfahren eröffnet wurde?
In § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB ist Folgendes geregelt:
"Ist der Mieter rechtskräftig zur Zahlung einer erhöhten Miete nach den §§ 558 bis 560 verurteilt worden, so kann der Vermieter das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs des Mieters nicht vor Ablauf von zwei Monaten nach rechtskräftiger Verurteilung kündigen, wenn nicht die Voraussetzungen der außerordentlichen fristlosen Kündigung schon wegen der bisher geschuldeten Miete erfüllt sind."
Die Vorschrift gilt nach ihrem Wortlaut nur für Mieterhöhungen nach den §§ 558 bis 560 BGB. Hier beruht die Mieterhöhung dagegen auf § 10 WoBindG. Das Wohnungsbindungsgesetz enthält keine dem § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB entsprechende Vorschrift. Deshalb ist zu fragen, ob § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB auf den preisgebundenen Wohnraum entsprechend anzuwenden ist. Dies wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur teilweise mit der Begründung bejaht, dass die Interessenlage bezüglich des gebotenen Mieterschutzes bei beiden Wohnungsgruppen gleich sei (LG Köln, Urteil v. 26.5.1994, 6 S 381/93, WuM 1995 S. 593; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl. 2009, Rdn. XII 147).
Nach anderer Ansicht ist eine analoge Anwendung des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB auf preisgebundenen Wohnraum nicht möglich (Lammel, Wohnraummietrecht, 3. Aufl. 2007, § 569 Rdn. 46; Häublein, in MünchKomm, § 569 Rdn. 35; Wöstmann, in Bamberger/Roth, § 569 Rdn. 19). Der BGH schließt sich dieser Auffassung an: Aus der Gesetzesgeschichte sei abzuleiten, dass der Gesetzgeber d...