Leitsatz
Geschäftliche Aktivitäten des Mieters in der Wohnung, die nach außen in Erscheinung treten, muss der Vermieter grundsätzlich nicht ohne entsprechende Vereinbarung dulden. Er kann jedoch nach Treu und Glauben verpflichtet sein, die Erlaubnis zur teilgewerblichen Nutzung zu erteilen, wenn es sich um eine Tätigkeit ohne Mitarbeiter und ohne ins Gewicht fallenden Kundenverkehr handelt; hierfür trägt der Mieter die Darlegungs- und Beweislast.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB §§ 535, 573 Abs. 2 Nr. 1
Kommentar
Der entschiedene Fall betrifft eine in Frankfurt a. M. gelegene Zweizimmerwohnung, die von einem Ehepaar mit Kind bewohnt wird. In dem Mietvertrag ist geregelt, dass die Räume "zu Wohnzwecken" vermietet werden. Weiter ist vereinbart, dass eine Nutzung zu anderen Zwecken "nur mit Einwilligung des Vermieters" statthaft ist.
Der Ehemann ist selbstständiger Immobilienmakler. Er besitzt keine Geschäftsräume, sondern übt seinen Beruf in der Wohnung aus. Der Vermieter hat den Mieter wegen der teilgewerblichen Nutzung der Wohnung abgemahnt und sodann fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt. Der BGH hatte die Frage zu entscheiden, ob der Vermieter in Fällen dieser Art zur Kündigung berechtigt ist.
In Betracht kommt eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 543 Abs. 1 BGB oder eine ordentliche befristete Kündigung wegen einer schuldhaften Pflichtverletzung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Mit dem erstgenannten Kündigungsgrund befasst sich der BGH nicht. Eine ordentliche befristete Kündigung hält der Senat allerdings für denkbar. Er unterscheidet zunächst zwischen den "beruflichen Tätigkeiten, die der Mieter – etwa im häuslichen Arbeitszimmer – ausübt, ohne dass sie nach außen in Erscheinung treten" einerseits und den "geschäftlichen Aktivitäten freiberuflicher oder gewerblicher Art, die nach außen in Erscheinung treten".
Die "beruflichen Tätigkeiten" ohne Außenwirkung fallen unter den Begriff des "Wohnens". Eine solche Tätigkeit ist ohne Weiteres zulässig; einer Erlaubnis durch den Vermieter bedarf es nicht.
Der BGH nennt die Unterrichtsvorbereitung eines Lehrers, die Telearbeit eines Angestellten, die schriftstellerische Tätigkeit eines Autors oder den Empfang oder die Bewirtung eines Geschäftsfreundes.
Dagegen sind "geschäftliche Aktivitäten" freiberuflicher oder gewerblicher Art, die nach außen in Erscheinung treten, erlaubnispflichtig. Für die Abgrenzung kommt es maßgeblich auf die Außenwirkung an. Hiervon kann nach Ansicht des BGH ausgegangen werden,
- wenn der Mieter die Wohnung als seine Geschäftsadresse angibt,
- wenn er in der Wohnung Kunden empfängt oder
- wenn er dort Mitarbeiter beschäftigt.
Der Mieter kann im Einzelfall nach Treu und Glauben einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis haben, wenn er keine Mitarbeiter beschäftigt und der Kundenverkehr nicht ins Gewicht fällt. Für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf Erteilung der Erlaubnis trägt der Mieter die Beweislast.
Übt der Mieter eine erlaubnispflichtige Tätigkeit in der Wohnung aus und hat er auch keinen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis, liegt der Tatbestand des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor. Im Entscheidungsfall hat der BGH das Verfahren an die Vorinstanz zurückverwiesen, weil ungeklärt war, ob der Mieter in seiner Wohnung Angestellte beschäftigt.
Im Allgemeinen muss der Vermieter im Räumungsprozess darlegen und beweisen, dass die tatsächlichen Voraussetzungen des Kündigungstatbestands vorliegen (Kinne in: Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, Teil II Rdn. 47, 48). Kündigt der Vermieter jedoch wegen einer vertragswidrigen, nicht vom Wohngebrauch gedeckten Nutzung, muss der Mieter beweisen, dass ein vom Vertragszweck abweichender Mietgebrauch gestattet ist (Blank in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Aufl., § 543 BGB Rdn. 230).
In den Fällen der beruflichen oder gewerblichen Mitbenutzung gilt nichts anderes. Danach muss der Mieter beweisen, dass die in Betracht stehende Tätigkeit keine Außenwirkung hat oder dass ihm ein Anspruch auf Genehmigung der Tätigkeit zusteht.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 14.07.2009, VIII ZR 165/08, NJW 2009, 3157 m. Anm. Eisenschmid, jurisPR-MietR 22/2009 Anm. 1