Alexander C. Blankenstein
4.1 Pflichtverletzung des Mieters
Pflichtverletzungen des Mieters, die zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, stellen in aller Regel auch einen Grund für die ordentliche Kündigung dar. Wird außerordentlich gekündigt, sollte stets auch hilfsweise ordentlich gekündigt werden. Ggf. sieht das Gericht im Räumungsrechtsstreit keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung, wohl aber einen solchen für die ordentliche Kündigung.
Musterklausel für Kündigungsschreiben
(...)
hiermit kündige ich das durch Mietvertrag vom ________ über die Wohnung ___ (Lage der Wohnung) im Haus ________ (Adresse) begründete Mietverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgemäß zum nächstmöglichen Termin.
(...)
Erwägt der Vermieter eine Kündigung wegen Pflichtverletzungen seines Mieters, ist im Hinblick auf die ordentliche fristgemäße Kündigung Voraussetzung, dass es sich um eine nicht unerhebliche schuldhafte Pflichtverletzung des Mieters handeln muss. Im Gegensatz zur außerordentlichen fristlosen Kündigung ist dem Vermieter eine Fortsetzung des Mietverhältnisses aber bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zuzumuten.
Was im Einzelfall als noch unerheblich oder nicht mehr unerheblich anzusehen ist, wird stets von den Maßgaben des konkreten Einzelfalls abhängen. Unerheblich sind jedenfalls Vertragsverstöße mit geringem Gewicht, bei denen auch nicht von einer Wiederholungsgefahr auszugehen ist.
4.1.1 Pflicht schuldhaft verletzt?
Nach der maßgeblichen Bestimmung des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis kündigen, wenn der Mieter seine Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat. Dem Mieter muss hinsichtlich der Pflichtverletzung also zunächst ein Verschuldensvorwurf zu machen sein. Dem Pflichtverstoß muss somit Vorsatz oder Fahrlässigkeit zugrunde liegen.
Unzurechnungsfähigkeit
Im Hinblick auf den Verschuldensvorwurf ist die Bestimmung des § 827 BGB zu beachten. Nach Satz 1 dieser Bestimmung ist derjenige, der im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit einem anderen einen Schaden zufügt, für den Schaden nicht verantwortlich.
Der geistig verwirrte Mieter
Der geistig verwirrte Mieter verwechselt die Eingangstür der Nachbarwohnung mit seiner eigenen. Da der Schlüssel nicht passt, wendet der Mieter Gewalt an, weshalb das Türschloss beschädigt wird.
Der Vermieter kann diesen Vorfall nicht zum Anlass einer Kündigung nehmen.
Drogen und Alkohol
Für die Fälle der Unzurechnungsfähigkeit wegen Alkohols oder Drogen regelt die Bestimmung des § 827 Satz 2 BGB freilich etwas anderes. Demjenigen, der sich durch Alkohol oder Drogen in einen vorübergehenden Zustand der Unzurechnungsfähigkeit versetzt, wird ein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht. Verschulden ist dann also zu bejahen. Dies gilt nur dann nicht, wenn er ohne sein Verschulden in den Zustand geraten ist.
Der Haschisch-Kuchen
Der alkohol- und drogenabstinente Mieter wird vom Wohnungsnachbarn zum Geburtstag eingeladen. Die Geburtstagstorte wurde mit Haschisch verfeinert, was dem Mieter nicht bekannt war.
Verursacht der Mieter infolge des Drogenrausches Schäden an der Mietsache oder am Haus, kann der Vermieter dieses Fehlverhalten des Mieters ebenfalls nicht mit einer Kündigung des Mietverhältnisses sanktionieren.
4.1.2 Verschulden eines Dritten zuzurechnen?
Der Mieter kann im Rahmen von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB auch für das schuldhafte Verhalten Dritter zur Verantwortung gezogen werden. Die ordentliche Kündigung wegen einer nicht unerheblichen Vertragsverletzung setzt nämlich nicht ein eigenes schuldhaftes Verhalten des Mieters voraus.
Minderjährige
Bei Minderjährigen ist die Bestimmung des § 828 BGB zu beachten. Nach Absatz 1 dieser Bestimmung können Kinder bis zur Vollendung des 7. Lebensjahrs nicht für Schäden verantwortlich gemacht werden, die sie anderen zufügen. Bis zum 18. Lebensjahr hängt die Frage der Verantwortlichkeit für Schäden von der Einsichtsfähigkeit des Kindes bzw. Jugendlichen ab. Freilich gilt der Grundsatz: Eltern haften für ihre Kinder, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben.
Angehörige
Der Mieter haftet für Pflichtverletzungen seines Ehegatten, seines Lebenspartners sowie seines nicht-ehelichen Lebensgefährten.
Besucher
Der Mieter kann auch für Pflichtverletzungen seiner Besucher haften.
Der wöchentliche Skatabend
Jede Woche treffen sich die Skatfreunde in der Wohnung des Mieters. Nach reichlichem Genuss alkoholischer Getränke poltern die Gäste jedes Mal nachts lautstark durch das Treppenhaus. Selbst wenn der Mieter selbst nicht alkoholisiert war, hat er für die Ruhestörung seiner Gäste einzustehen. Auf diese kann er nämlich einwirken.
Dies allerdings gilt nicht grenzenlos. Kommt es zum persönlichen Konflikt zwischen Besucher und Vermieter, infolgedessen der Besucher gegen den Vermieter handgreiflich wird oder diesen beleidigt, stellt dies keine schuldhafte Pflichtverletzung des Mieters selbst dar, wenn er bezüglich der Tätlichkeit oder Beleidigung weder Einfluss ausgeübt noch die Situa...