Leitsatz
Kommt der Mieter mit der Zahlung von durch den Vermieter nach § 560 Abs. 4 BGB einseitig erhöhten Betriebskostenvorauszahlungen in Verzug, scheitert eine (auch) darauf gestützte fristlose Kündigung des Vermieters nicht daran, dass der Vermieter den Mieter nicht vor Ausspruch der Kündigung auf Zahlung der erhöhten Betriebskosten verklagt hat.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB §§ 543 Abs. 2 Nr. 3; 560 Abs. 4; 569 Abs. 3 Nr. 3
Kommentar
Nach den Vereinbarungen im Mietvertrag schuldete der Mieter neben der Grundmiete auch Vorauszahlungen für Betriebskosten. Der Vermieter hat die Vorauszahlungen für Heiz- und Warmwasserkosten gem. § 560 Abs. 4 BGB mit Wirkung zum 1.10.2003 um 14,41 EUR und mit Wirkung zum 1.10.2004 um weitere 18,74 EUR erhöht. Der Mieter hat die Erhöhungsbeträge nicht bezahlt. Ebenso kam der Mieter mit einem Teil der Grundmiete in Verzug, sodass im Dezember 2004 die rechnerischen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB vorlagen. Aus diesem Grund hat der Vermieter das Mietverhältnis im Dezember 2004 fristlos wegen Zahlungsverzugs gekündigt und Räumungsklage erhoben. Der BGH hatte zu entscheiden, ob die Kündigung wegen des Verzugs mit erhöhten Betriebskostenvorauszahlungen voraussetzt, dass der Mieter zuvor zur Zahlung der Erhöhungsbeträge verurteilt wurde.
Das Problem folgt aus § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB. Dort ist Folgendes geregelt: "Ist der Mieter rechtskräftig zur Zahlung einer erhöhten Miete nach den §§ 558 bis 560 verurteilt worden, so kann der Vermieter das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs des Mieters nicht vor Ablauf von 2 Monaten nach rechtskräftiger Verurteilung kündigen, wenn nicht die Voraussetzungen der außerordentlichen fristlosen Kündigung schon wegen der bisher geschuldeten Miete erfüllt sind."
Die Auslegung dieser Vorschrift ist umstritten. Nach einer Meinung ist die Vorschrift nur dann auf die Kündigung wegen Verzugs mit erhöhten Betriebskostenvorauszahlungen anwendbar, wenn der Vermieter zuvor wegen der erhöhungsbedingten Rückstände eine Zahlungsklage erhoben hat (LG Berlin, Urteil v. 1.3.2012, 67 S 42/11, GE 2012 S. 548; Emmerich, in Staudinger (2011), § 569 Rdn. 54; Sternel, WuM 2009, S. 699, 704). Nach der Gegenansicht ist ein rechtskräftiges Zahlungsurteil dagegen Voraussetzung für die fristlose Kündigung (Blank, in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Aufl. 2011, § 569 Rdn. 70; Hinz, NZM 2010, S. 57, 65).
Der BGH folgt der ersten Ansicht. Er begründet dies mit dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Der Mieter kann seine Interessen wahren, indem er die Berechtigung der Betriebskostenabrechnung überprüft. Sollte er hierzu nicht in der Lage sein, weil der Vermieter die Einsicht in die Abrechnungsbelege verweigert, kann der Mieter ein Zurückbehaltungsrecht an den erhöhten Beträgen geltend machen. Eine auf Zahlungsverzug gestützte Kündigung ist dann ausgeschlossen. Im Übrigen wird die Betriebskostenabrechnung vom Gericht im Rahmen der Räumungsklage geprüft.
Grundsätze für BK-Erhöhung und Modernisierungsmieterhöhung
1. Kündigungssperrfrist nach rechtskräftigem Zustimmungsurteil
Die Vorschrift des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB gilt zunächst für Mieterhöhungen nach § 558 BGB. Bei diesen Mieterhöhungen macht die Anordnung einer Kündigungssperre Sinn: Ist das Mieterhöhungsverlangen begründet, schuldet der Mieter die erhöhte Miete mit Beginn des 3. Kalendermonats nach dem Zugang des Erhöhungsverlangens (§ 558b Abs. 1 BGB). Im Fall der Zustimmung des Mieters wird die erhöhte Miete zu diesem Zeitpunkt fällig.
Stimmt der Mieter nicht zu, muss der Vermieter auf Zustimmung zur Mieterhöhung klagen. Mit der Rechtskraft des Urteils wird die Zustimmung des Mieters ersetzt. Diese erfolgt rückwirkend auf den in § 558b Abs. 1 BGB genannten Zeitpunkt. In der Regel liegt dieser Zeitpunkt mehrere Monate vor der Rechtskraft des Urteils. Dies hat zur Folge, dass mit dem Eintritt der Rechtskraft ein Mietrückstand vorliegt, der rechnerisch den Tatbestand der Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB erfüllt. Hier ist es sinnvoll, den Mieter für eine gewisse Zeit durch eine Kündigungssperre vor einer überraschenden Kündigung zu schützen.
Nach dem Wortlaut des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB setzt die Kündigungssperre allerdings voraus, dass der Mieter "zur Zahlung einer erhöhten Miete" verurteilt wird. Der Vermieter muss allerdings zunächst "auf Erteilung der Zustimmung" zur Mieterhöhung klagen (§ 558b Abs. 2 BGB). Dies führt zu der Frage, ob die Vorschrift auf einem Redaktionsversehen beruht, wie dies zum früheren inhaltsgleichen § 9 MHG vertreten worden ist (s. Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 6. Aufl. 1987, Rdn. C 476) oder ob neben der Verurteilung zur Zustimmung tatsächlich noch eine weitere Verurteilung zur Zahlung hinzutreten muss, damit das Kündigungsrecht ausgeübt werden kann. Der BGH hat diese Frage nicht ausdrücklich entschieden, aber obiter dictum ausgeführt, dass die erhöhte Miete "mit Rechtskraft des Zustimmungsurteils" fällig wird (Rz. 19). Es ergibt deshalb keinen Sinn, ...