Das Wichtigste in Kürze:

1. Geschwindigkeitsmessgeräte zur amtlichen Überwachung des Straßenverkehrs müssen gültig geeicht sein.
2. Die Fragen, ob und in welchem Umfang Reparaturen des Messgerätes erforderlich geworden und durchgeführt worden sind, lassen sich im Regelfall lediglich aus der Lebensakte des Gerätes beantworten.
 

Rdn 2776

 

Literaturhinweise:

Burhoff, Dauerbrenner: (Akten)Einsicht in Messunterlagen im OWi-Verfahren, VRR 2011, 250

ders., Sonderproblem Bedienungsanleitung/Messunterlagen, VA 2012, 50

ders., A never ending story? – Akteneinsicht in Messunterlagen im OWi-Verfahren, VRR 2012, 130

Cierniak, Prozessuale Anforderungen an den Nachweis von Verkehrsverstößen, zfs 2012, 664

Cierniak/Niehaus, Akteneinsichts- und Offenlegungsrecht im Bußgeldverfahren, DAR 2014, 2

Deutscher, Anm. zu OLG Schleswig v. 11.11.2016 – 2 SsOWi 161/16 (89/16), DAR 2017, 48

Hollinger, Anm. zu OLG Frankfurt v. 26.8.2016 – 2 Ss-OWi 589/16, DAR 2017, 47

Krenberger, Neues Mess- und Eichwesen – Großes Problempotential? – Entspannte Praxis, DAR 2016, 415

Meyer, Aktenergänzungsanspruch im gerichtlichen Bußgeldverfahren, DAR 2010, 109

Rothfuß, Auswirkungen der Neuregelung des gesetzlichen Messwesens auf die Rechtsprechung zum "standardisierten Messverfahren", DAR 2016, 257

s. auch die Hinw. bei → Akteneinsicht, Allgemeines, Rdn 145, und bei → Akteneinsicht, Umfang, Messunterlagen, Bedienungsanleitung u.a., Rdn 199.

 

Rdn 2777

1.a) Geschwindigkeitsmessgeräte für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs bedürfen nicht nur der Bauartprüfung und -zulassung (§ 27 MessEG, §§ 19 ff. MessEV), sie müssen insbesondere geeicht sein. Die ungeeichte Verwendung eines Messgerätes für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs ist ausdrücklich verboten (§ 60 Abs. 1 Nr. 14 MessEG; → Messgeräte, allgemeine Anforderungen, Rdn 2844). Da es keinen Erfahrungssatz dahin gehend gibt, dass ein Messgerät während der gesamten Eichfrist mängelfrei bleibt, sind die Eichfristen relativ kurz. Gem. § 34 MessEV i.V.m. Anlage 7, Nr. 12.1 beträgt die Eichgültigkeit für Geschwindigkeitsmessgeräte für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs lediglich ein Jahr.

 

Rdn 2778

Weiterhin besteht kein Erfahrungssatz dahin gehend, dass einmal geeichte Geschwindigkeitsmessgeräte während der Eichgültigkeitsdauer durchgehend ordnungsgemäß funktionieren. Gem. § 37 Abs. 2 MessEG endet die Eichfrist vorzeitig, wenn

das Messgerät die Verkehrsfehlergrenzen nicht einhält (Nr. 1) oder
ein Eingriff vorgenommen wird, der Einfluss auf die messtechnischen Eigenschaften des Gerätes haben kann oder sein Verwendungsbereich erweitert oder beschränkt wird (Nr. 2), oder
das Messgerät mit einer Zusatzeinrichtung verbunden wird, deren Anfügung nicht zulässig ist (Nr. 5).
 

Rdn 2779

b) Ob ein derartiger Defekt vorliegt oder ein Eingriff, der Einfluss auf die Eigenschaft des Gerätes haben kann, vorgenommen worden ist, kann naturgemäß lediglich dann überprüft werden, wenn der Eingriff oder die Reparatur eines aufgetretenen Defekts innerhalb der Eichgültigkeitsdauer dokumentiert worden ist. Insoweit wird sich die Einsicht in die sog. Lebensakte des Geräts empfehlen. Teilweise teilen die zuständigen Verwaltungsbehörden jedoch noch immer mit, eine "Lebensakte" gebe es nicht bzw. müsse auch nicht geführt werden. Das ist zum einen unzutreffend, weil § 31 Abs. 2 Nr. 4 MessEG dem Verwender auferlegt, Nachweise über erfolgte Wartungen, Reparaturen oder sonstige Eingriffe am Messgerät (einschließlich elektronisch vorgenommener Maßnahmen, also Softwareänderungen und -aktualisierungen) zu führen und bis zu drei Monate nach Ablauf der Eichfrist aufzubewahren (a.A. OLG Frankfurt am Main DAR 2017, 47 mit zu Recht abl. Anm. Hollinger, OLG Celle, Beschl. v. 28.6.2017 – 2 Ss [OWi] 146/17). Zum anderen geht es bei der zugrundeliegenden Rechtsfrage nicht um den Begriff der "Lebensakte" oder darum, ob die Unterlagen, um die es geht (Unterlagen über Reparaturen, Nach- bzw. Neueichungen, (zusätzliche) Wartungen oder sonstige Ereignisse, die ggf. die Funktionsfähigkeit des Messgerätes, im Eichzeitraum betreffen, vgl. zur "Lebensakte" auch Cierniak zfs 2012, 664, 678), bei der Behörde in einem separaten Aktenstück gesammelt werden, sondern darum, dass der Verteidiger Anspruch auf die Offenlegung oder – falls eine solche Sammlung nicht existiert – was im Anwendungsbereich des § 31 Abs. 2 Nr. 4 MessEG rechtswidrig ist – auf die Beschaffung dieser Unterlagen hat (zutr. OLG Naumburg StraFo 2016, 113 = DAR 2016, 215 = VRR 4/2016, S. 14; LG Trier DAR 2017, 721; verkannt von OLG Celle, Beschl. v. 28.6.2017 – 2 Ss [OWi] 146/17; vgl. a. noch das Schreiben des Hess. Innenministers v. 10.3.2016 – LPP 5–07–16/002).

 

☆ Eine Dokumentation über aufgetretene Mängel, Reparaturen, Erweiterungen, Anschluss von Zusatzgeräten oder Nacheichungen wird überwiegend Lebensakte genannt. Die teilweise auch verwendeten Begriffe Reparaturbuch , Gerätebuch , Gerätestammkarte oder auch Werkstattkarte entsprechen inhaltlich im Wesentlichen einer Lebens...

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