Leitsatz
Da in einem Haus mit mehreren Mietparteien Lärmeinwirkungen unvermeidbar sind, bedarf es konkreter, durch eine Ortsbesichtigung zu treffender Feststellungen, daß die Lärmeinwirkungen das Maß des noch Hinnehmbaren überschreiten.
Sachverhalt
Im Rahmen der vom Eigentümer erlaubten Umbaumaßnahmen in seiner Wohnung, entfernte ein Mieter unter anderem den Teppichboden in allen Räumen. Hierdurch kam es zu vermehrter Lärmeinwirkung auf die darunter liegende Wohnung. Deren Mieter verlangten nunmehr den Teppichboden wieder zu verlegen.
Entscheidung
Leidiges Thema nicht nur für die Gerichte: Die Lärmempfindlichkeit der lieben Nachbarn. In diesem Zusammenhang kommt im Leitsatz nur unzureichend zum Ausdruck, worum es tatsächlich ging.
Der Leitsatz betrifft hier lediglich die Aufklärungspflicht des Gerichts. Soweit im Prozeß Lärmeinwirkungen von einer Nachbarwohnung behauptet werden und der betreffende Mieter bestreitet, daß diese über das übliche Maß hinausgehen, so besteht für die Richter die Pflicht, sich vor Ort ein Bild von den Lärmgegebenheiten zu machen. Dies gilt insbesondere dann, wenn nicht schwer rekonstruierbares rücksichtsloses und lärmintensives Verhalten geltend gemacht wird, sondern lediglich Störungen behauptet werden, wie sie bereits durch die normale Wohnnutzung entstehen, wie beispielsweise das Begehen der Wohnung mit Straßenschuhen, Kleinkindergeschrei und gelegentliches Kindergetrampel.
Wesentlich wichtiger in diesem Zusammenhang ist aber die Feststellung, daß die Mieter in einem größeren Haus Lärmeinwirkungen hinnehmen müssen, wie sie in einem Haus mit mehreren Mietparteien eben unvermeidbar sind. Dies hatte der Bundesgerichtshof bereits im Jahre 1958 festgestellt, aber wer kennt dieses Urteil schon.
Weiter ist immer wieder zu betonen, daß bereits aus dem Gebot von Treu und Glauben folgend, das Wohnen und Wirken zweier unter einem Dach wohnender Mieter eine gewisse Gemeinsamkeit schafft und von ihnen beiden eine wechselseitige Rücksichtnahme erfordert. Dies sollte umso verständlicher sein, als auch Kleinkinder zur Wohngemeinschaft gehören. Nächtliches Baby- und Kleinkindergeschrei sind einfach unvermeidbare Folge normaler kindlicher Entwicklung und daher von den nachbarlichen Mietparteien hinzunehmen.
Weiter sind die Mieter auch nicht für etwaige bauliche Unzulänglichkeiten des Mietobjekts verantwortlich zu machen. Soweit ein Mietshaus hellhörig ist, kann hiergegen ausschließlich der Eigentümer aufgrund baulicher Veränderungen etwas unternehmen. Diese Betrachtungsweise ändert sich auch dann nicht, wenn in der betreffenden Wohnung vom Eigentümer verlegter Teppichboden entfernt wird und es dadurch zu einer Verstärkung der Hellhörigkeit kommt.
Entscheidend ist nämlich in diesem Zusammenhang zum einen die Einwilligung des Eigentümers zur Umbaumaßnahme und zum anderen dessen ursprüngliche Absicht bei Verlegung des Teppichbodens. Sollte dieser ausschließlich dem Zweck der Verschönerung des Mietobjekts dienen, ohne etwa entstehenden Lärm zu dämpfen, so kann dieser im Rahmen der Einwilligung des Eigentümers aufgrund von Umbaumaßnahmen auch wieder entfernt werden. Eine verbotene Eigenmacht des Mieters ist in einem solchen Verhalten jedenfalls nicht zu sehen, weshalb Ansprüche der anderen Mieter ins Leere gehen, den Teppichboden wieder zu verlegen.
Link zur Entscheidung
OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.01.1997, 9 U 218/96
Fazit:
Nicht daß Mißverständnisse entstehen: Lärm muß nicht in unbegrenztem Maße erduldet werden. Soweit die Lärmentwicklung aus einer Wohnung über das Maßdessen hinausgeht, was noch als erträglich angesehen werden kann, bestehen Abwehransprüche der gestörten Mieter. Dabei muß es sich aber um solche Belastungen handeln, die über die Lärmentwicklung, wie sie durch das gemeinsame Zusammenleben bedingt ist, hinausgehen. Es muß sich vielmehr um wesentliche Lärmimissionen handeln. Maßstab dessen, was als wesentlich anzusehen ist, sind dabei alle Umstände des Einzelfalls. Jedenfalls steht fest, daß Babygeschrei und Geräusche von Straßenschuhen auf einem Parkettfußboden nicht dazugehören.
Anders sieht es dann aus, wenn ein Mieter diese Belästigungen durch einen Eingriff in die Bausubstanz herbeigeführt hat. Bevor jedoch in einem solchen Fall Ansprüche gegen diesen Mieter geltend gemacht werden, sollte der jeweilige Eigentümer befragt werden, ob solche bauliche Maßnahmen nicht durch seine Einwilligung gedeckt sind.