Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung des Vergleichsmehrwerts und Gegenstandswerts auf ein Bruttovierteljahresverdienst
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung besteht keine Regelhaftigkeit, dass der Arbeitgeber eine Prämie oder Bonuszahlung vollständig oder teilweise verweigert.
2. Ein "Streit" oder eine "Ungewissheit" im Sinne des § 779 BGB, die Voraussetzung für das Vorliegen eines Vergleichsmehrwerts sind, ist daher nur gegeben, wenn die Beteiligten hierzu konkret vortragen (Geltendmachung, Ablehnung).
Normenkette
BGB § 779; GKG § 42 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Heilbronn (Entscheidung vom 18.06.2024; Aktenzeichen 3 Ca 194/24) |
Tenor
Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers (Beschwerdeführer) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 18.06.2024 - 3 Ca 194/24 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beschwerde betrifft die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts gemäß § 63 Abs. 2 GKG.
Im Ausgangsverfahren wendete sich der Kläger mit seiner Klage gegen eine ordentliche Kündigung der Beklagten vom 25.04.2024 zum 30.11.2024.
Die Parteien schlossen einen Vergleich gem. § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO, in dem sie sich u.a. auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Kündigung vom 25.04.2024 zum 31.03.2025 einigten. Außerdem einigten sich die Parteien in Ziffer 5 des Vergleichs auf folgende Regelung:
"Für die Abrechnung des Jahres 2024 wird vereinbart, dass von einer Zielerreichung des variablen Gehalts von 100% auszugehen ist. Damit hat der Kläger einen Beteiligungsanspruch in Höhe von EUR 18.000,00 brutto erreicht. Abzüglich der an den Kläger geleisteten Abschlagszahlungen in Höhe von EUR 17.400,00 brutto ergibt sich ein Saldo zu Gunsten des Klägers in Höhe von EUR 600,00 brutto.
Es wird eine Zielerreichung von 100% für das zusätzliche variable Gehalt zugrunde gelegt. Damit hat der Kläger einen Beteiligungsanspruch in Höhe von EUR 12.500,00 brutto erreicht.
Diese Beträge wird die Beklagte dem Kläger mit der Gehaltszahlung im Dezember 2024 ausbezahlen."
Weiter verpflichtete sich die Beklagte in Ziffer 9 des Vergleichs zur Erteilung eines Zwischen- und Endzeugnisses mit der Leistungsbewertung "gut bis sehr gut".
Das Arbeitsgericht hat den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert auf ein Bruttovierteljahresverdienst und den Vergleichsmehrwert für Ziffer 9 des Vergleichs auf ein Bruttomonatsgehalt festgesetzt.
Einen Vergleichsmehrwert in Bezug auf Ziffer 5 des Vergleichs lehnte das Arbeitsgericht ab, weil insoweit kein Streit feststellbar sei, sondern über die variable Vergütung nur "streitig verhandelt" worden sei. Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers, der sich im Wesentlichen darauf beruft, dass zumindest "Ungewissheit" über die Prämie bestanden habe.
II.
Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers (Beschwerdeführer) ist statthaft (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG); die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 68 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG) und auch im Übrigen zulässig.
Sie ist indes nicht begründet. Ein Vergleichsmehrwert in Bezug auf die in Ziffer 5 des Vergleichs geregelten variablen Gehaltsbestandteile besteht nicht.
1. Gegenstandswert
Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert zutreffend gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG auf ein Bruttovierteljahresverdienst festgesetzt.
2. Vergleichsmehrwert
a) Das Arbeitsgericht hat Ziffer 9 des Vergleichs zutreffend mit einem Bruttomonatsgehalt bewertet. Da diese Bewertung zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist und weil aufgrund der verhaltensbedingten Kündigungsgründe sowohl nach Ziffer 25.1.3 des Streitwertkatalogs der Arbeitsgerichtsbarkeit in der überarbeiteten Fassung vom 01.02.2024 (NZA 2024, 308 ff.; im Folgenden: "SWK 2024") als auch nach der ständigen Rechtsprechung der erkennenden Kammer in diesen Fällen der Leistungs- oder Verhaltensvorwürfe regelmäßig eine "Ungewissheit" im Sinne des § 779 BGB besteht (vgl. LAG Baden-Württemberg 19.04.2017 - 5 Ta 42/17 - Rn. 15 für Fälle des "guten" oder "sehr guten" Zeugnisses), wird von weiteren Ausführungen abgesehen.
b) Es besteht jedoch kein Vergleichsmehrwert in Bezug auf die in Ziffer 5 des Vergleichs geregelten variablen Gehaltsbestandteile.
aa) Trotz des Vergleichs richtet sich die Wertfestsetzung vorliegend nach § 63 Abs. 2 GKG und nicht nach § 33 Abs. 1 RVG. Grundsätzlich bindet § 32 Abs. 1 RVG die Gebühren des Rechtsanwalts an den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert. Diese Bindung bleibt auch bei einer zum Wegfall der Gerichtsgebühren führenden Beendigung des Rechtsstreits (beispielsweise durch Vergleich oder Klagerücknahme vor streitiger Verhandlung) bestehen (ständige Rechtsprechung des LAG Baden-Württemberg, z.B. 13.01.2016 - 5 Ta 93/15 - Rn. 7 m.w.N.).
bb) Das Vorliegen eines Vergleichsmehrwerts setzt einen "Streit" oder eine "Ungewissheit" im Sinne des § 779 BGB voraus.
Nach Ziffer 25.1 SWK 2024 fällt ein Vergleichsmehrwert nur an, wenn durch den Vergleichsabschluss ein weiterer Rec...