Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenvertretung. Wahlanfechtung. Verkennung des Betriebsbegriffs
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Wahl einer gemeinsamen Schwerbehindertenvertretung in unterschiedlichen Betrieben ist wegen Verkennung des Betriebsbegriffs nach § 94 Abs. 1 SGB IX anfechtbar.
2. In Ausbildung befindliche schwerbehinderte Rehabilitanden sind zur Schwerbehindertenvertretung wahlberechtigt.
Normenkette
SGB IX § 94 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Beschluss vom 04.04.2003; Aktenzeichen 6 BV 1/03) |
Nachgehend
Tenor
1. DerBeschluß desArbeitsgerichts Mannheim vom4.4.2003 (6 BV 1/03) wird teilweise abgeändert:
- Die Wahl der Schwerbehindertenvertretung vom 17./18.12. 2002 wird für unwirksam erklärt.
- Es wird festgestellt, daß bei den Beteiligten Ziff. 1), 2) und 4) keine gemeinsame Schwerbehindertenvertretung zu wählen ist.
2. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der im Betrieb der Beteiligten Ziff. 1, 2 und 4 am 17./18.12.2002 durchgeführten Wahl der Vertrauensperson der Schwerbehindertenvertretung. Bei den Beteiligten zu 1 und 2 handelt es sich um Einrichtungen in denen Teilnehmer zur beruflichen Rehabilitation, schulische sowie in verschiedenen Ausbildungsberufen anerkannte Abschlüsse erwerben können. Die Teilnehmer sind überwiegend schwerbehinderte Menschen. Die Beteiligte zu 4 ist ein Fachkrankenhaus.
Alle genannten Beteiligten gehören der sog. S.-Gruppe an. Es sind gemeinnützige Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Für sie gilt ein Überleitungstarifvertrag vom 16.12.1996 (I, 30 – 41). Nach dessen § 7 wird bei den Beteiligten Ziff. 1, 2 und 4 ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt. Dies geschah zuletzt im Jahr 2001.
Mit Datum vom 04.11.2002 erließ der Wahlvorstand ein Wahlvorschreiben für die Wahl der Vertrauensleute der Schwerbehinderten und hing dieses aus. Der Wahlvorstand nahm nicht nur Arbeitnehmer der Beteiligten Ziff. 1, 2 und 4 auf, sondern auch an den Rehabilitationsmaßnahmen teilnehmenden Rehabilitanten (Azubis genannt).
Der Versuch der Beteiligten zu 1 und 2, durch Erlass einer einstweiligen Verfügung den Wahlvorstand aufzugeben die Wähler von der Wählerliste die „Azubis” zu streichen, scheiterte mit Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 16.12.2002 (16 TaBV 7/02) endgültig.
Am 17./18.12.2002 fand die Wahl der Vertrauensperson statt. Mit Aushang vom 18.12.2002 wurde das Wahlergebnis bekanntgegeben. Mit der am 02.01.2003 bei Gericht eingegangenen Antragsschrift haben die Beteiligten zu 1 und 2 die Wahl angefochten. Diese wird zum einen darauf gestützt, dass Rehabilitanten nicht im Sinne des § 94 SGB IX „beschäftigt” und damit auch nicht wahlberechtigt seien. Außerdem seien die Beteiligten Ziff. 1, 2 und 4 rechtlich selbständige Betriebe, die jeweils eigene Schwerbehindeten-Vertretungen zu wählen hätten. Die Beteiligten zu 1, 2 und 4 haben erstinstanzlich beantragt:
- Die Wahl der Schwerbehindertenvertretung vom 17./18.12.2002 wird für unwirksam erklärt.
- Es wird festgestellt, dass die Gruppe der bei dem Beteiligten Ziff. 1 sich in Ausbildung befindlichen schwerbehinderten Rehabilitanten nicht zur Wahl der Schwerbehindertenvertretung wahlberechtigt ist.
- Es wird weiter festgestellt, dass bei den Beteiligten Ziff. 1, 2 und 4 keine gemeinsame Schwerbehindertenvertretung zu wählen ist.
Die Beteiligte zu 3 hat beantragt
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat einen Anfechtungsgrund verneint. Die Rehabilitanten seien zu Recht an der Wahl beteiligt worden, wie die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.06.2001 – 7 ABR 50/99 – zeige. An dieser Rechtssituation habe sich durch die Vorschriften des SGB IX nichts geändert.
Mit Beschluss vom 04.04.2003 hat das Arbeitsgericht die Wahlanfechtung für zulässig aber unbegründet angesehen. Gegen diese den Beteiligten zu 1, 2 und 4 am 16.04.2003 zugestellte Entscheidung wurde am 15.05.2003 Beschwerde eingelegt und am 20.06.2003 ausgeführt.
Die Beschwerdeführer machen geltend, dass bei der Wahl zur Schwerbehindertenvertretung gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht und das Wahlverfahren verstoßen worden sei, wodurch das Wahlergebnis möglicherweise beeinflusst wurde. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei ordnungsgemäßem Verfahren andere Bewerber als Vertrauensperson bzw. stellvertretende Vertrauensperson gewählt worden wären.
Zum einem seien Rehabilitanten nicht als Arbeitnehmer oder Beschäftigte im Sinne des § 94 SGB IX zu verstehen. Sie seien somit nicht wahlberechtigt. Weder der Wortlaut der Vorschrift noch eine systematische Auslegung trage dieses Ergebnis noch sei eine Vertretung der Rehabilitanten durch die Beteiligte zu 3 sachgerecht.
Anfechtbar sei die Wahl auch, weil eine gemeinsame Schwerbehindertenvertretung gewählt worden sei, obwohl es sich um rechtlich selbständige Unternehmen mit jeweils eigenen Betrieben gehandelt habe.
Die Beteiligten zu 1, 2 und 4 beantragen
- Der Besch...