Entscheidungsstichwort (Thema)
Reguläre Besetzung der Einigungsstelle mit zwei Beisitzern pro Seite. Ausnahmsweise Erhöhung der Besetzung der Einigungsstelle auf jeweils drei Beisitzer bei komplexen Sachverhalten
Leitsatz (amtlich)
1. Im Regelfall ist eine Einigungsstelle mit je zwei Beisitzern auf jeder Seite zu besetzen.
2. Bei einer Einigungsstelle zum Thema "Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Durchführung von psychischen Gefährdungsbeurteilungen" kann wegen der Erforderlichkeit sowohl juristischen als auch arbeitspsychologischen Sachverstands eine Festlegung der Beisitzerzahl auf drei je Seite geboten sein (ebenso LAG Baden-Württemberg 10.09.2020 - 4 TaBV 5/20).
Normenkette
ArbGG § 100 Abs. 2; BetrVG § 76 Abs. 2; ArbGG § 89 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 24.07.2020; Aktenzeichen 3 BV 127/20) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 24. Juli 2020 - Aktenzeichen: 3 BV 127/20 - abgeändert.
Die Zahl der Beisitzer der von der Arbeitgeberin angerufenen Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Durchführung von psychischen Gefährdungsbeurteilungen" wird für die Arbeitgeberin und für den Betriebsrat auf jeweils drei festgesetzt.
Gründe
A
Die Beteiligten streiten über die Anzahl der in eine Einigungsstelle zu bestellenden Beisitzer.
Die zu 2 beteiligte Arbeitgeberin betreibt mehrere Krankenhäuser. Der antragstellende Betriebsrat ist für den Betrieb des Klinikums S./B. errichtet. Die Arbeitgeberin hat eine Einigungsstelle zum Regelungsgegenstand "Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Durchführung von psychischen Gefährdungsbeurteilungen" angerufen. Die Beteiligten sind sich darin einig, dass deren Vorsitz Herr Rechtsanwalt Dr. C. L. übernehmen soll.
Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, dass das Thema der Einigungsstelle so komplex sei, dass mehr als zwei Beisitzer je Seite erforderlich seien. Es sei geboten, sowohl juristischen Sachverstand als auch speziellen fachlichen Sachverstand als Beisitzer hinzuzuziehen. Letztlich könne der Betriebsrat unabhängig von der Zahl der Beisitzer ohnehin selbst entscheiden, wen er in die Einigungsstelle entsende und ob es sich dabei um interne oder externe Personen handele.
Hinsichtlich der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 24. Juli 2020 unter I der Gründe verwiesen.
Die Arbeitgeberin hat die Ansicht vertreten, mehr als zwei Beisitzer je Seite seien nicht geboten. Es sei überdies im Interesse der die Kosten tragenden Arbeitgeberin, wenn möglichst viele interne Personen in der Einigungsstelle tätig würden.
Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 24. Juli 2020 unter Zurückweisung des Antrags im Übrigen die Zahl der Beisitzer der Einigungsstelle zum Regelungsgegenstand "Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Durchführung von psychischen Gefährdungsbeurteilungen" auf jeweils zwei festgelegt und zur Begründung ausgeführt: Eine Einigungsstelle sei im Regelfall mit zwei Beisitzern je Seite zu besetzen. Die Anzahl der Beisitzer richte sich im Übrigen grundsätzlich nach der Komplexität des zu regelnden Sachverhalts, der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen, der mit dem Regelungsgegenstand verbundenen schwierigen Rechtsfragen und der Zumutbarkeit der Einigungsstellenkosten. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass Effizienz und Arbeitsfähigkeit der Einigungsstelle unter einer zu hohen Anzahl von Beisitzern leiden könnten. Eine über der Regelbesetzung liegende Anzahl von Beisitzern dürfe nicht einfach nur "wünschenswert" oder "sinnvoll" sein, sondern es müsse eine objektiv feststellbare Notwendigkeit der höheren Beisitzerzahl zur Bewältigung der sich aus dem Regelungsgegenstand ergebenden Sach- und Rechtsfragen bestehen.
Selbst wenn man der Ansicht des Betriebsrats folge, dass Abweichungen von der Regel, nur zwei Beisitzer zu bestimmen, im Fall einer Einigungsstelle zum Thema Gefährdungsbeurteilung zulässig seien, müsse die Erforderlichkeit im Einzelfall gleichwohl begründet werden. Die Notwendigkeit der Vorhaltung jedenfalls juristischen Sachverstands auf Seiten des Betriebsrats in der Einigungsstelle vermöge das Gericht nicht zu erkennen, wenn man berücksichtige, dass sich die Beteiligten bereits auf einen Rechtsanwalt und erfahrenen Einigungsstellenvorsitzenden als Vorsitzenden der Einigungsstelle zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Durchführung von psychischen Gefährdungsbeurteilungen verständigt hätten, der über hinreichenden juristischen Sachverstand verfüge, um innerhalb der Einigungsstelle die auftretenden rechtlichen Fragen zu beantworten. Zudem bestehe für die Einigungsstelle die Möglichkeit, falls erforderlich, externen Sachverstand in Form eines Sachverständigen hinzuzuziehen.
Nach alledem falle die vom Betriebsrat behauptete Komplexität gegenüber den weiteren zu berücksichtigenden Faktoren, insbesondere der Arbeitsfähigkeit der Einigungsstelle und den damit verbun...