Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorbereitung der Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder durch den Betriebsrat
Leitsatz (amtlich)
Vor der Durchführung der Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder muss der Betriebsrat nicht durch Beschluss darüber entscheiden, ob und wie Vollfreistellungen durch Teilfreistellungen ersetzt werden sollen.
Normenkette
BetrVG § 38 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 1; ArbGG § 83 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 10.10.2018; Aktenzeichen 18 BV 71/18) |
Nachgehend
Tenor
- Die Beschwerden der Beteiligten zu 1, zu 2, zu 4 und zu 5 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 10.10.2018 - 18 BV 71/18 - werden zurückgewiesen.
- Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der betriebsratsinternen Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder vom 29.03.2018.
Erstinstanzlich haben die Beteiligten zu 1 bis 6, allesamt Betriebsratsmitglieder des Betriebsrats des Standorts D. der zu 10 beteiligten Arbeitgeberin, mit einem als Feststellungsantrag formulierten Antrag erstrebt, dass das Arbeitsgericht die Freistellungswahl vom 29.03.2018 für unwirksam erklären solle. Der Beteiligte zu 1 ist Vorsitzender des Betriebsrats D. (künftig nur noch: Betriebsrat). Der Betriebsrat ist der Beteiligte zu 9. Er wurde im Jahr 2018 neu gewählt und besteht aus elf Mitgliedern. Die Beteiligten zu 7 und zu 8 sind ebenfalls Mitglieder des Betriebsrats. Die Antragsteller einerseits und die Beteiligten zu 7 und zu 8 andererseits gehören allesamt derselben Gewerkschaft an.
Dem Betriebsrat stehen insgesamt zwei Vollfreistellungen zu. Der Beteiligte zu 7 hat einen Arbeitsvertrag mit 27 Wochenstunden, die Beteiligte zu 8 mit 38 Wochenstunden (Vollzeit).
Als Wahlergebnis der Freistellungswahl vom 29.03.2018 wurde festgestellt, dass von der Vorschlagsliste 1 der Beteiligte zu 1 mit 38 Wochenstunden (Vollzeit) und von der Vorschlagsliste 2 der Beteiligte zu 7 mit 27 Wochenstunden (entsprechend seinem Arbeitsvertrag) sowie die Beteiligte zu 8 mit 11 Wochenstunden freigestellt werden.
Am 12.04.2018 reichten die Beteiligten zu 1 bis 6 die Antragsschrift ein, mit der das vorliegende Verfahren eingeleitet wurde.
Erstinstanzlich haben die Beteiligten zu 1 bis 6 vorgebracht, die Wahl sei für unwirksam zu erklären, da die Frage, ob und wie die zwei Vollfreistellungen durch Teilfreistellungen ersetzt werden sollten, nicht vor der eigentlichen Wahl der Freistellungen durch den Betriebsrat beschlossen worden sei. Des Weiteren widerspreche die Gestaltung der Wahlvorschlagsliste 2, auf der (im Gegensatz zur Wahlvorschlagsliste 1) nicht zwei Kandidaten genannt worden seien, sondern zwei Kandidatenpaare gebildet worden seien, die sich jeweils eine Vollfreistellung nach ihren individuellen Wünschen aufgeteilt hätten, wesentlichen Vorschriften über das Wahlverfahren. Das bei Listenwahlen anzuwendende Höchstzahlensystem nach d'Hondt habe nicht angewandt werden können.
Die Beteiligten zu 7 und zu 8 haben erstinstanzlich die Wahl verteidigt. Der Betriebsrat habe vor der Wahl keine Abstimmung darüber durchführen müssen, ob und wie Teilfreistellungen vorgenommen würden. Bei der Aufteilung von Teilfreistellungen habe, wenn Verhältniswahl durchzuführen sei, im Einzelfall die Liste, der die Vollfreistellung zufalle, das Wahlrecht. Anderenfalls könnten das Verhältniswahlrecht und der Minderheitenschutz nicht wirksam realisiert werden.
Die Arbeitgeberin hat erstinstanzlich ebenfalls die Wahl verteidigt. Spätestens mit Beginn und Durchführung der Wahl habe der Betriebsrat konkludent auch einen etwa notwendigen Beschluss darüber gefasst, dass - sofern mindestens eine Höchstzahl auf die Vorschlagsliste 2 entfalle - Teilfreistellungen vorgenommen würden. Zudem sei der Umfang der Teilfreistellungen vor der Wahl geregelt worden, indem die Vorschlagsliste 2 diesen ausdrücklich aufweise. Die Diskussion im Vorfeld der Wahl zeige, dass eine Willensbildung der Betriebsratsmitglieder stattgefunden habe. Die Gestaltung der Wahlvorschlagsliste 2 sei von Anfang an transparent gewesen.
Zu den weiteren Einzelheiten des festgestellten Sachverhalts sowie zu dem unterschiedlichen Vorbringen der Beteiligten wird auf den Tatbestand des im vorliegenden Beschwerdeverfahren angegriffenen Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 10.10.2018 Bezug genommen, dies einschließlich der darin enthaltenen Verweisung auf die gewechselten Schriftsätze, Anlagen und Sitzungsniederschriften.
Das Arbeitsgericht hat mit dem hier angegriffenen Beschluss den Antrag der Beteiligten zu 1 bis 6 als unbegründet zurückgewiesen. Es hat ihn zutreffend als Anfechtungsantrag ausgelegt, der in entsprechender Anwendung von § 19 BetrVG von jedem einzelnen Betriebsratsmitglied gestellt werden könne. Hinsichtlich der weiteren Ausführungen des Arbeitsgerichts zu den notwendigen Beteiligten und der Zulässigkeit des Antrags wird auf den Abschnitt II. A. des Beschlusses Bezug genommen.