Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

1) Der Zufluss einer Sozialabfindung nach Stellung eines PKH-Antrags stellt Einkommen dar im Sinne von § 115 Abs. 1 ZPO und nicht Vermögen (entgegen BAG 22. Dezember 2003 – 2 AZB 23/03 –).

2) Die Abfindungszahlung ist in entsprechender Anwendung von § 3 Abs. 3 Satz 2 der VO zu § 82 SGB XII iVm Nr. 82.43 und Nr. 42.44 SHR zu § 82 SGB XII auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen. Dieser beträgt in der Regel 12 Monate.

3) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II sind zumindest dann Einkommen im Sinne von § 115 Abs. 1 ZPO, wenn neben die (reinen) Arbeitslosengeld II-Leistungen weitere Entgeltzuflüsse treten, die im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung für den Arbeitslosengeld II-Leistungsbezug nicht zu berücksichtigen waren.

4) Eine Tilgung von Schuldverpflichtungen hat bei der Einkommensberechnung grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Schuldverpflichtungen stellen nämlich einen Bedarf aus der Vergangenheit dar und werden aufgrund des Gegenwärtigkeitsgrundsatzes „keine Sozialhilfe für die Vergangenheit”) sozialhilferechtlich im Rahmen der Bedürftigkeit nicht berücksichtigt. Im Prozesskostenhilferecht können Schuldverpflichtungen allenfalls als besondere Belastungen iSv. § 115 Abs 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO Berücksichtigung finden, in der Regel jedoch nur wenn die Verbindlichkeiten nicht erst während des Prozesses oder in Ansehung des Prozesses begründet wurden.

 

Normenkette

ZPO §§ 114-115

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Beschluss vom 27.10.2010; Aktenzeichen 1 Ca 3239/09)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 27.10.2010 (1 Ca 3239/09) wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A:

Die sofortige Beschwerde richtet sich gegen die Festsetzung einer Einmalzahlung aus dem Vermögen auf die bewilligte Prozesskostenhilfe. Mit Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 30.06.2009 (1 Ca 3239/09) wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt für den ersten Rechtszug für das Führen eines Kündigungsschutzrechtsstreits. Eine Ratenzahlung wurde nicht angeordnet. Mit weiterem Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 19.05.2010 (8 Sa 26/10) wurde dem Kläger auch für den zweiten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt ohne Ratenzahlungsverpflichtung.

Die Parteien verglichen sich vor dem Landesarbeitsgericht auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund Kündigung vom 20.03.2009 mit Ablauf des 30.06.2009. Die Beklagte verpflichtete sich zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 48.081,54 EUR brutto. Dieser Vergleich wurde mit Beschluss vom 28.07.2010 gem. § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt. Der Abfindungsbetrag floss dem Kläger am 02.09.2010 in Höhe von 31.296,78 EUR netto zu.

Im Hinblick auf diesen Abfindungszufluss änderte der Rechtspfleger die Prozesskostenhilfebescheide vom 30.06.2009 und 19.05.2010 ab mit Beschluss vom 27.10.2010 und ordnete die Leistung eines einmaligen Betrages in Höhe von 2.754,90 EUR aus dem Vermögen des Klägers an. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus der an den Prozessbevollmächtigten des Klägers ausbezahlten PKH-Vergütung erster Instanz in Höhe von 719,95 EUR, aus der ausgezahlten PKH-Vergütung zweiter Instanz in Höhe von 1.165,49 EUR, aus den vom Prozessbevollmächtigten des Klägers geltend gemachten Differenzkosten in Höhe von 868,46 EUR, sowie aus Fotokopierauslagen zweiter Instanz in Höhe von 1,00 EUR. Dieser Beschluss wurde an den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 27.10.2010. Hiergegen richtet sich die vorliegende sofortige Beschwerde, die am 11.11.2010 beim Arbeitsgericht einging. Der Rechtspfleger beim Arbeitsgericht Stuttgart half der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte diese mit Beschluss vom 11.11.2010 dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor.

Der Kläger macht geltend, er habe bereits vor Beginn des Rechtsstreits einen Anschaffungskredit aufgenommen zum Erwerb von Möbeln und einer Kücheneinrichtung. Dieser Kredit sei Stand Oktober 2010 auf ca. 6.000,00 EUR zurückgeführt gewesen. Er müsse monatliche Raten in Höhe von 595,00 EUR zahlen.

Er behauptet, zur Sicherung seines Lebensunterhalts während des Kündigungsschutzverfahrens bei seinem Schwager K. U. einen Kredit aufgenommen zu haben in Höhe von 10.000,00 EUR. Diesen Betrag habe er verbraucht. Nach Zufluss der Abfindung sei die Darlehenssumme wieder am 01.10.2010 per Überweisung an den Schwager zurückgeführt worden. Außerdem habe er an seine Eltern in der Türkei aus der Abfindung einen Betrag in Höhe von 7.000,00 EUR zukommen lassen. Dieser Betrag sei am 01.10.2010 abgehoben worden und später in bar an die Eltern bezahlt worden. Der Kläger habe schon in der Vergangenheit seine Eltern durch regelmäßige Zahlungen unterstützt. Diese Zahlungen habe er während der seit Juli 2009 bestehenden Arbeitslosigkeit nicht mehr erbringen können. Es habe sich gewissermaßen um eine Nachzahlung gehandelt.

Er macht geltend, eine mo...

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