Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenansatz. Gerichtsgebühr bei Teilurteil und Prozessvergleich wegen des Rests
Leitsatz (redaktionell)
Eine Kostenprivilegierung nach Vorbemerkung 8 zu Teil 8 KV GKG setzt einen Vergleich voraus, der das gesamte Verfahren im betreffenden Rechtszug beendet. Ist dem Vergleich eine gebührenrechtlich nicht privilegierte Teilerledigung vorausgegangen, so sind die Gerichtsgebühren aus dem Gesamtstreitwert zu erheben.
Normenkette
KV GKG Vorbemerkung 8 zu Teil 8; GKG § 72 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 15.08.2005; Aktenzeichen 12 Ca 359/04) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Staatskasse wird derBeschluss des Arbeitsgerichts Freiburg vom15. August 2005 – 12 Ca 359/04 – abgeändert:
Auf die Erinnerung der Staatskasse wird der Kostenansatz des Arbeitsgerichts Freiburg in dieser Sache vom 29. Juni 2005 aufgehoben: Das Verfahren wird zur erneuten Erstellung des Kostenansatzes auf der Grundlage eines Gebührenstreitwerts von 106.202,04 EUR an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Die Beschwerde der Staatskasse richtet sich gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts, mit dem es – so ist der Beschluss auszulegen – die Erinnerung der Staatskasse gegen den Kostenansatz des Arbeitsgerichts zurückgewiesen hat.
In dem am 23. Juli 2004 eingeleiteten Ausgangsverfahren waren mehrere Streitgegenstände, darunter auch Klagen gegen Kündigungen des Arbeitsverhältnisses seitens der Beklagten/Widerklägerin, rechtshängig gemacht worden. Am 27. Oktober 2004 hat das Arbeitsgericht durch Teilurteil erkannt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch eine außerordentliche Kündigung vom 07. Juli 2004 noch durch eine solche vom 15. Juli 2004 aufgelöst worden sei. Nicht entschieden hat es insbesondere über die Klageanträge, die sich auf eine ordentliche Kündigung bezogen, sowie über die Widerklage. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht als unzulässig verworfen. Nach Eintritt der Rechtskraft des Teilurteils hat der Kläger die Klage noch um weitere Zahlungsanträge erweitert. Im Verhandlungstermin vom 15. Juni 2004 haben die Parteien durch Prozessvergleich die gesamten noch rechtshängigen Ansprüche erledigt. Die Kostenregelung (Bl. 323 der Akte) sieht vor, dass die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden mit Ausnahme der auf das Teilurteil entfallenden Kosten, die die Beklagte/Widerklägerin zu tragen hat.
Das Arbeitsgericht hat durch verkündeten Beschluss den Gebührenstreitwert für das Verfahren auf insgesamt 106.202,04 EUR festgesetzt. Darin ist der Streitwert der durch das Teilurteil vom 27. Oktober 2003 erledigten Gegenstände von 24.000,00 EUR einbezogen. Hierauf hat das Arbeitsgericht die Kosten nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 4 KostVfg auf der Grundlage eines Gebührenstreitwerts von nur 24.000,00 EUR angesetzt, weil es die Auffassung vertreten hat, für den Teil der Gegenstände, die durch Prozessvergleich erledigt worden sind, fielen keine Gerichtsgebühren an.
Gegen diesen Kostenansatz hat die Landeskasse Erinnerung eingelegt. Sie hat begehrt, die Kosten auf der Grundlage eines Gebührenstreitwerts von 106.202,04 EUR anzusetzen. Da der Prozessvergleich nicht das gesamte Verfahren erledigt habe, komme eine Gebührenermäßigung nach Vorbemerkung 8 des Kostenverzeichnisses in der seit 01. Juli 2004 geltenden Fassung nicht in Betracht.
Diese Erinnerung hat das Arbeitsgericht der Sache nach im Beschluss vom 09. August 2005 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Landeskasse, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat. Die Parteien des Ausgangsverfahrens treten der Auffassung des Arbeitsgerichts bei, ohne allerdings weitere Gesichtspunkte vorzutragen, die für ihren Rechtsstandpunkt sprechen sollen.
Entscheidungsgründe
II.
Die im Hinblick auf § 66 Abs. 2 GKG zulässige Beschwerde der Landeskasse hat auch in der Sache Erfolg. Das Arbeitsgericht hat sich im angefochtenen Beschluss zu Unrecht geweigert, die Kosten auf der Grundlage eines Gebührenstreitwerts von 106.202,04 EUR anzusetzen. Mit seiner Verfahrensweise wird es der ab 01. Juli 2004 geltenden Rechtslage nicht gerecht. Diese ist mit Rücksicht auf § 72 Nr. 1 GKG auch für das vorliegende Verfahren maßgeblich.
1. Bei der Auslegung der anzuwendenden Gebührenvorschriften ist zunächst vom Wortlaut auszugehen. Einschlägig ist in erster Linie die Vorbemerkung 8 in Teil 8 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) in der seit 01. Juli 2004 geltenden Fassung. Danach entfällt die für den betreffenden Rechtszug anfallende (Gerichts-)Gebühr nicht, wenn der Vergleich nur einen Teil des „Streitgegenstandes” betrifft. Dem Regelungsgehalt nach handelt es sich um eine parallele Vorschrift beispielsweise zum Gebührentatbestand Nr. 1211 Nr. 3 oder Nr. 1222 Nr. 3 KV GKG. Da aber bei einem Prozessvergleich im arbeitsgerichtlichen Verfahren in allen Rechtszügen die volle Verfahrensgebühr des jeweiligen Rechtszugs entfällt, konnte dieser Tatbestand sozusagen vor...