Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksamkeit eines Spruchs der Einigungsstelle. Festlegung einer Sozialplanabfindung, die Nachteile aus einem Betriebsübergang abgelten will

 

Leitsatz (amtlich)

Der aufgrund eines Beschlusses einer Einigungsstelle vereinbarte Sozialplan ist insoweit nichtig, als mit ihm tatsächliche oder mögliche Nachteile abgegolten werden sollen, die auf einem Betriebsübergang beruhen. Soweit Nachteile abgegolten werden sollen, die durch die Betriebsänderung verursacht wurden, müssen diese § 112 Abs. 5 BetrVG entsprechen. Der Wegfall von Bagatelleistungen (Wegfall von Weihnachtspäckchen, Geschenkkorb zu runden Geburtstagen usw.) rechtfertigen nicht die Festlegung einer Sozialabfindung.

Ist die im Sozialplan festgelegte Zahlung einer Grundabfindung unwirksam, so erfaßt diese Unwirksamkeit den ganzen Sozialplan, wenn diese Regelung für die Gesamtvereinbarung so wesentlich ist, daß diese ohne den nichtigen Teil keine sinnvolle Einheit darstellen kann.

 

Normenkette

BetrVG § 76 Abs. 4, § 112 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 05.03.1997)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Freiburg vom 05.03.1997 – 2 BV 47/96 – abgeändert.

Es wird festgestellt, daß der aufgrund des Spruches der Einigungsstelle beschlossene Sozialplan vom 16.08.1996 insgesamt unwirksam und damit nichtig ist.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Regelung aus dem Sozialplan vom 16.08.1996, der durch streitigen Spruch einer Einigungsstelle zustande gekommen ist.

Die Antragstellerin (Beteiligte Ziffer 1 – im folgenden als … bezeichnet) stellte aufgrund eines Vertriebsvertrages mit der … Verlag GmbH die Tageszeitung „…” bis zum 30.06.1996 im Verbreitungsgebiet ausschließlich alleinig zu. Der … GmbH kündigte 1996 den Vertriebsvertrag teilweise uns schloß in der Folgezeit mit selbständigen Zustellagenturen Vertriebsverträge, wonach diese Zustellagenturen in den von der Teilkündigung betroffenen Gebieten die alleinige Zustellung der „…” übernahm. Die Zustellagenturen traten in sämtliche Arbeitsverträge ein, die zwischen der … und ihren Arbeitnehmern bestanden. Bei der … waren im Zeitpunkt der Einstellung ihrer Tätigkeiten ca. 1.650 Zeitungszusteller, weitere 350 sogenannte Prospektzusteller und ca. 20 Inspektoren als Vorgesetzte der Zeitungszusteller beschäftigt (neben einem Geschäftsführer und einer Teilzeit-Sekretärin). Ferner übernahmen die Zustellagenturen die zur Zustellung der Zeitung notwendigen Sachmittel, für die in einer von der … vorgelegenen Vereinbarung der Wert auf DM 5.000,– festgesetzt worden war. Die … war eine 100 %-ige Tochter der … GmbH, die Zustellagenturen sind weder mit der … noch mit der … GmbH gesellschaftlich verbunden.

Nach Anrufung einer Einigungsstelle und Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan wurde mit den Stimmen der Mehrheit (4 Stimmen zu 3 Stimmen) der Sozialplan vom 16.08.1996 beschlossen. Der … wurde der Einigungsstellenspruch nebst Begründung am 04.10.1996 zugestellt. Sie hat am 18. Oktober 1996 beim Arbeitsgericht die Feststellung der Unwirksamkeit bzw. der Teil-Unwirksamkeit des Sozialplanes gestellt.

Die … hat die Auffassung vertreten, der Sozialplan vom 16.08.1996 sei insoweit unwirksam, als er eine Grundabfindungsregelung in § 2 Ziff. 1 des Sozialplanes aufgenommen habe. Diese Regelung lautet wie folgt:

„Die Arbeitnehmer im Sinne des § 1 erhalten eine Grundabfindung, soweit das Arbeitsverhältnis mindestens 6 Monate zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestanden hat, und zwar nach folgender Staffelung:

  • 1/10 eines Monatsentgeltes bei einer Betriebszugehörigkeit bis 5 Jahre;
  • 2/10 eines Monatsentgeltes bei einer Betriebszugehörigkeit zwischen 5 und 10 Jahren;
  • 3/10 eines Monatsentgeltes bei einer Betriebszugehörigkeit zwischen 10 und 20 Jahren;
  • 4/10 eines Monatsentgeltes bei einer Betriebszugehörigkeit über 20 Jahre.

Diese Grundabfindung ist anzurechnen auf etwaig aus den nachstehenden Regelungen vom Arbeitnehmer anzusprechenden Abfindungen aus Änderungskündigung und Beendigungskündigung, mit Ausnahme der aus Wegfall der Zustellung von „…” geschuldeten Abfindung.”

§ 1 hat folgenden Wortlaut:

„Dieser Sozialplan gilt für alle Arbeitnehmer der … GmbH, die zum Zeitpunkt der Betriebsübergange auf die Zustellagenturen zum 30.06.1996 in einem Arbeitsverhältnis der … gestanden haben oder stehen.

Insbesondere fallen hierunter Beschäftigte, die von Umstrukturierungsmaßnahmen betroffen sein können und

  • denen aus diesem Grunde betriebbedingt gekündigt wird;
  • denen aus diesem Grund betriebsbedingt änderungsgekündigt wird;
  • die selbst kündigen oder gekündigt haben, um einer arbeitgeberseitigen betriebsbedingten oder Änderungskündigung vorzugreifen;
  • die auf Veranlassung des Arbeitgebers einen Aufhebungsvertrag aus betriebsbedingten Gründen abschließen;
  • die aus betriebsbedingten Gründen versetzt oder in ein anderes Arbeitsverhältnis bei einer...

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