Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert. Bestandschutz unbegrenzt. geltend gemachte Zeit des Fortbestands. Zulässigkeit oder Schlüssigkeit der Klage. Dauer des Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
In Bestandschutzangelegenheiten ist ein auf unbestimmte Zeit gerichteter Feststellungsantrag grundsätzlich unabhängig von der bisherigen Dauer des Arbeitsverhältnisses, der Zulässigkeit oder Schlüssigkeit der Klage mit dem Vierteljahreseinkommen nach § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG a.F. (§ 42 Abs. 3 Satz 1 GKG n.F.) zu bewerten.
Normenkette
GKG § 42 Abs. 3 S. 1 aF.; KSchG § 1
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Beschluss vom 09.09.2009; Aktenzeichen 8 Ca 368/09) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführer wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart – Kammern Aalen – vom 9. September 2009 – 8 Ca 368/09 – abgeändert.
Der die Gerichtsgebühren maßgebende Wert wird auf EUR 5 700,00 festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 richtet sich gegen die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts nach § 63 Abs. 2 GKG.
Gegenstand des Ausgangsverfahrens war ein Kündigungsschutzverfahren betreffend die Wirksamkeit einer Kündigung vom 2. Juni 2009, einer weiteren vom 16. Juni 2009, ein allgemeiner Feststellungsantrag sowie ein Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hatte erst am 4. Mai 2009 begonnen. Aus dem Arbeitsverhältnis erzielte die Klägerin eine durchschnittliche Monatsvergütung in Höhe von EUR 1 900,00 brutto. Die Klägerin hat sich gegen die Kündigungen gewandt und den unbefristeten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht.
Der Rechtsstreit endete durch Vergleich gemäß Beschluss vom 27. August 2009, wonach das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 21. Juni 2009 geendet hat. Darüber hinaus haben die Parteien weitere Regelungen zur Abwicklung des Arbeitsverhältnisses getroffen.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 9. September 2009 den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert auf EUR 1 900,00 festgesetzt und dabei ein Brutto-Monatsentgelt zugrunde gelegt.
Gegen diesen Beschluss haben die Beschwerdeführer mit am 16. September 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Ziel der Beschwerde ist die Festsetzung eines Wertes in Höhe von EUR 5 700,00 und damit drei Bruttomonatsgehältern nach § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG (jetzt § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG n.F.).
Das Arbeitsgericht hat mit ausführlich begründetem Beschluss vom 25. September 2009 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
Die nach dem Beschwerdewert statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist in der Sache begründet. Der Streitwert für den Rechtsstreit ist auf EUR 5 700,00 gemäß § 42 Absatz 4 Satz 1 GKG (jetzt § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG n.F.) festzusetzen.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung der für Streitwertbeschwerden zuständigen Kammer 3 des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg konnte bei Bestandsschutzstreitigkeiten, auch wenn das Arbeitsverhältnis bei Zugang der Kündigung noch keine sechs bzw. zwölf Monate gedauert hat, der Streitwertrahmen des § 42 Absatz 4 Satz 1 GKG (jetzt § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG n.F.) ausgeschöpft werden, denn der Streitwert hängt nicht von der Zulässigkeit oder Schlüssigkeit oder Klage ab, sondern bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten – wie einer Bestandsschutzstreitigkeit – von dem mit der Klage verfolgten wirtschaftlichen Ziel. Hiervon geht auch das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 30. November 1984 (2 AZN 572/82 (B) – AP ArbGG 1979 § 12 Nr. 9 = EzA ArbGG 1979 § 12 Streitwert Nr. 36 = NZA 1985, 369) aus. Das Bundesarbeitsgericht ist der Auffassung, ein nur kurzfristig bestehendes Arbeitsverhältnis verkörpere einen wirtschaftlich geringeren Wert als ein längerfristiges mit erstarktem Kündigungsschutz. Dies kann nicht überzeugen, da ein Arbeitnehmer nicht vom Kündigungsschutz lebt, sondern von der Vergütung, die er für seine Arbeitsleistung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erhält. Daraus ist sein wirtschaftliches Interesse abzuleiten. Deshalb kommt es darauf an, von welcher weiteren Dauer der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung ausgeht (§ 40 GKG), nicht aber, wie lange das Arbeitsverhältnis bei Zugang der Kündigung oder Erhebung der Kündigungsschutzklage schon bestand. Ob das Vorbringen schlüssig ist, ist nicht von Bedeutung. Ein auf unbestimmte Zeit gerichteter Feststellungsantrag ist deshalb grundsätzlich unabhängig von der bisherigen Dauer des Arbeitsverhältnisses mit dem Vierteljahreseinkommen nach § 42 Absatz 4 Satz 1 GKG zu bewerten (statt vieler LAG Baden-Württemberg 11. Januar 2008 – 3 Ta 5/08 –, zu II 1 der Gründe). An dieser Rechtsprechung hält auch die nach der Geschäftsverteilung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg für das Jahr 2009 nunmehr zuständige Beschwerdekammer fest (LAG Baden-Württemberg 24. Juni 2009 – 5 Ta 15/09 –, zu II 1 der Gründe; 26. August 2009 – 5 Ta 81/09 – zu II 1 der...