Entscheidungsstichwort (Thema)

Dienstanweisung über das Ab- und Rückmeldeverfahren zur Durchführung der Betriebsratstätigkeit/Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates

 

Leitsatz (amtlich)

Will der Arbeitgeber in einer Dienstanweisung, die sich zum einen an die Mitglieder des Betriebsrates und zum anderen an andere Arbeitnehmer des Betriebes wendet, regeln, auf welche Art. und Weise sich ein nicht freigestelltes Betriebsratsmitglied zur Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben von seinem Arbeitsplatz ab- und rückmelden muß, wer Adressat der Meldungen ist und welche Daten der Adressat der Meldungen festzuhalten hat, hat der Betriebsrat jedenfalls dann gemäß § 87 Absatz 1 Ziffer 1 BetrVG mitzubestimmen, wenn die mitzuteilenden und festzuhaltenden Angaben dem Arbeitgeber die Möglichkeit geben, den zeitlichen Umfang der Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben zu kontrollieren.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Ziff. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Pforzheim (Beschluss vom 07.02.1996; Aktenzeichen 4 BV 39/95)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsstellers wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 07.02.1996 – 4 BV 39/95–abgeändert.

2. Es wird festgestellt, daß dem Betriebsrat bei einer Dienstanweisung über das Ab- und Rückmeldeverfahren zur Durchführung der Betriebsratstätigkeit mit dem Inhalt der von der Antragsgegnerin unter dem 27.09.1995 erlassenen Dienstanweisung ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Absatz 2 Ziffer 1 BetrVG zusteht.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I. Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, ob der Betriebsrat (Antragssteller/Beschwerdeführer) bei Erlaß einer Dienstanweisung durch den Arbeitgeber, welche das Verfahren regelt, nach dem sich Betriebsratsmitglieder aus Anlaß der Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben jeglicher Art. an- und rückmelden müssen, nach § 87 Absatz 1 Ziffer 1 BetrVG mitzubestimmen hat.

Die Arbeitgeberin (Antragsgegnerin/Beschwerdegegnerin) hat unter dem 27.09.1995 eine Regelung über „Ab- und Rückmeldepflicht und Ausführung der Betriebsratstätigkeit” erlassen, wegen deren Wortlautes auf die Ablichtung Blatt 5 und 6 verwiesen wird. Sie hat hierbei den Betriebsrat nicht beteiligt. Die Antragsgegnerin verlangt die Angaben durch die Betriebsratsmitglieder in mündlicher Form. Der Vorgesetzte, bei dem die Abmeldung erfolgt, hält die gemeldeten Zeiten der Betriebsratstätigkeit danach in einem Formblatt fest, das die Antragsgegnerin entworfen hat. Auf die Kopien von Formblättern betreffend den Betriebsratsvorsitzenden (Blatt 20 bis 22 der Akten) wird in diesem Zusammenhang verwiesen. Die Antragsgegnerin hat unter dem 15.11.1995 unter Hinweis auf die von ihr erlassene Regelung ein Betriebsratsmitglied aufgefordert, sich für seine Betriebsratstätigkeit abzumelden und angekündigt, daß sie andernfalls sein Gehalt um Fehlzeiten kürzen werde. Auf die Ablichtung dieses Schreibens (Blatt 29 der Akten) wird im übrigen verwiesen.

Der antragsstellende Betriebsrat, der unter dem 22.11.1995 einen entsprechenden Beschluß gefaßt hat – auf die Ablichtung der Sitzungsniederschrift (Blatt 7 bis 9 der Akten) wird insoweit verwiesen –, begehrt die Feststellung, daß ihm bei einer Dienstanweisung über das Ab- und Rückmeldeverfahren zur Ausführung der Betriebsratstätigkeit nach § 87 Absatz 1 Ziffer 1 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht zusteht. Der Antragssteller hat die Auffassung vertreten, da auch der Betriebsrat Teil der Belegschaft sei, habe er bei den Anforderungen, welche die Antragsgegnerin unter Ziffer 1.3 der Dienstanweisung vom 27.09.1995 stelle, mitzubestimmen. Aufgrund der verlangten Angaben habe die Antragsgegnerin die Möglichkeit, eine über das gesetzliche Maß hinausgehende Kontrolle der Betriebsratstätigkeit auszuüben und namentlich die Dauer der Betriebsratstätigkeit festzustellen. Dies zeige ihr Hinweis auf die Tätigkeit des Betriebsratsvorsitzenden. Eine Verpflichtung zu Angaben solcher Art. habe ein Betriebsratsmitglied nicht. Aufgrund der Verletzung des Mitbestimmungsrechtes habe der Antragssteller einen dementsprechenden Unterlassungs-/Beseitigungsanspruch gegen den Arbeitgeber.

Der Antragssteller hat beantragt:

  1. Festzustellen, daß dem Betriebsrat bei Dienstanweisungen über das Ab- und Rückmeldeverfahren zur Ausführung der Betriebsratstätigkeit ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG zusteht.
  2. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Nr. 1 wird dem Antragsgegner ein Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft angedroht.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin hat die Auffassung vertreten, ihre Dienstanweisung vom 27.09.1995 nehme lediglich die Anforderungen auf, weiche das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 15.03.1995 – 7 AZR 643/94 – hinsichtlich der Pflicht von Betriebsratsmitgliedern, sich für die Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben abzumelden, aufgestellt habe, ihre Dienstanweisung unterliege daher nicht der Mitbestimmung des Betriebsrates.

Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf Ziffer 1 der Gründe des ang...

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