Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilnichtiger Einigungsstellenspruch zur Schichtarbeit bei Beschränkung auf Ausgestaltung von Verfahrensregelungen zur Dienstplanaufstellung. Feststellungsantrag des Betriebsrats zur Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs bei gesetzwidriger Bestimmung einer Zustimmungsfiktion für den Fall der Nichtäußerung sowie der Möglichkeit vorläufiger Durchführung
Leitsatz (amtlich)
1. Beschränkt sich der Spruch einer Einigungsstelle auf die Ausgestaltung von Verfahrensregelungen zur Dienstplanaufstellung durch den Arbeitgeber und die Reaktionsmöglichkeiten des Betriebsrats hierauf und stellt er dabei gleichzeitig keine für den Arbeitgeber verbindlichen - zumindest abstrakten - Regelungen auf, die vom Arbeitgeber bei der Aufstellung des konkreten Dienstplans und für die Heranziehung von Arbeitnehmern hierzu zu beachten hat, führt dies zur Unwirksamkeit der Verfahrensregelungen, soweit diese gegen gesetzlich Mitbestimmungsrechte für den Betriebsrat gem. den §§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG verstoßen (im Anschluss an BAG 9. Juli 2013 - 1 ABR 19/12 -).
2. Anwendungsfall der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Möglichkeit der Teilnichtigkeit eines Einigungsstellenspruchs.
Normenkette
BetrVG § 76 Abs. 2 Sätze 1-2, Abs. 5, § 87 Abs. 1 Nrn. 2-3, Abs. 2; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 07.03.2013; Aktenzeichen 23 BV 160/12) |
Nachgehend
Tenor
I.
Auf die Beschwerde des Betriebsrats (Bet. zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 07.03.2013 - Az: 23 BV 160/12 - teilweise abgeändert.
1)
Es wird festgestellt, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 14.05.2012 in den §§ 3 Ziffer 3 und 4, 4 Ziffer 2 und Ziffer 3c unwirksam ist.
2)
Im Übrigen wird der Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen.
II.
Die weitergehende Beschwerde des Betriebsrats gegen die in I. dieses Beschlusses genannte arbeitsgerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
III.
Die Rechtsbeschwerde wird für die Bet. zu 2 zugelassen. Für den Betriebsrat wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.
Gründe
A. Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit des Spruchs einer Einigungsstelle.
Die Beklagte zu 2 (im Weiteren: Arbeitgeberin) ist ein Einzelhandelsunternehmen, das in der Bundesrepublik Deutschland in über 380 Filialen Textilwaren und Accessoires an Endkunden vertreibt. Der antragstellende Beteiligte zu 1 (im Weiteren: Betriebsrat) ist der in der Filiale XXX der Arbeitgeberin in S. (K. 14) gewählte Betriebsrat, der aus sieben Mitgliedern besteht. In dieser Filiale sind circa 150 Arbeitnehmer beschäftigt, deren Einsatz durch Arbeits-/Schichtpläne gesteuert wird. In dieser Filiale findet unter anderem der Manteltarifvertrag Einzelhandel für Baden-Württemberg vom 13.01.1994 in der Fassung vom 10.07.2008 (im Weiteren: MTV), bezüglich dessen Einzelheiten vollinhaltlich auf (Bl. 123 d. Akten-ArbG) verwiesen wird, Anwendung. In der Filiale XXX galten für Vollzeitmitarbeiter im Verkauf bislang Arbeitszeiten montags bis samstags in der Frühschicht von 7.00 Uhr bis 16.15 Uhr und in der Spätschicht von 11.30 Uhr bis 20.30 Uhr. Vollzeitmitarbeiter hatten, jeden zweiten Samstag frei. Am 24.12 oder wahlweise am 31.12. des Kalenderjahres war bis 14.30 Uhr Arbeitszeit. Die Arbeitgeberin reichte betreffend den Einsatz der Arbeitnehmer in der Filiale ihre Personaleinsatzplanung bis zum letzten Werktag des Vormonats beim Betriebsrat ein. Im Anschluss daran verhandelten die Betriebsparteien über die Personaleinsatzplanung, bei Nichteinigung entschied die Einigungsstelle über den konkreten Personaleinsatzplan für einen konkreten Zeitraum. Eine als Betriebsvereinbarung überschriebene Regelung zwischen den Betriebsparteien zum Thema "Arbeitszeit/Pausen/Überstunden" bestand bislang nicht. Mit von der damaligen Filialleiterin der Arbeitgeberin unterzeichnetem Schreiben vom 27.08.2008 hatte die Arbeitgeberin gegenüber dem Betriebsrat eine Änderung des praktizierten Arbeitszeitmodells beantragt. Der Betriebsrat erklärte am 27.08.2008 hierzu seine Zustimmung. Dieses mit "TELEFAX" überschriebene Schreiben wurde an den Betriebsrat nicht per Telekopie versandt, sondern als Originalschreiben wurde beim Betriebsrat eingereicht. Der Betriebsrat unterschrieb ebenfalls auf diesem Schreiben unter den handschriftlichen Worten "wir stimmen zu". Hinsichtlich der Einzelheiten dieses Schreibens wird vollinhaltlich auf Bl. 75 und 76 d. Akten verwiesen.
Durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg wurde eine Einigungsstelle für die Filiale XXX zum Thema "Betriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeiten, der Pausen, der Personaleinsatzplanung sowie der Verfahren bei Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit" eingerichtet. Diese Einigungsstelle unter dem Vorsitz des Direktors des Arbeitsgerichts Pforzheim, Herrn W., beschloss am 14.05.2012 gegen die Stimmen der Beisitzer auf Seiten des Betriebsrats eine Betriebsvereinbarung. Hinsichtlic...