Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckung der Verpflichtung des Arbeitgebers zur ordnungsgemäß ausgefüllten Herausgabe der Arbeitspapiere bestehend aus Lohnsteuerbescheinigungen und Sozialversicherungsnachweisen
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Titel, der auf das Ausfüllen von Arbeitspapieren gerichtet ist, ist gem. § 888 Abs. 1 ZPO zu vollstrecken.
2. Ist der Titel sowohl auf das Ausfüllen von Arbeitspapieren als auch auf deren Herausgabe gerichtet, so ist durch Auslegung zu ermitteln, ob es sich um eine vertretbare Handlung, um eine bloße Herausgabeverpflichtung oder um eine Kombination aus beiden Verpflichtungen handelt.
3. Ein auf die Herausgabe von "Lohnsteuerbescheinigungen" gerichteter Titel ist erkennbar nicht auf die Herausgabe selbst gerichtet, sondern lediglich auf die Herausgabe die elektronische Übermittlung eines nach amtlich vorgeschriebenem Muster gefertigten Ausdrucks der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung nach § 41b Abs. 1 S. 3 EStG.
4. Da das SGB den Begriff des "Sozialversicherungsnachweises" nicht kennt, kann insoweit nur die Übergabe einer Bescheinigung über die durch Datenübertragung erstellten Meldungen zur Sozialversicherung gemeint sein.
5. Soweit die "Herausgabe" dieser Unterlagen tituliert ist, ist die Verpflichtung dahingehend eindeutig und bestimmt, dass Ausdrucke der elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen sowie die maschinell erstellte Bescheinigung über die Jahresmeldung zur Sozialversicherung auszuhändigen sind. In der zusätzlichen Titulierung der Verpflichtung zur Herausgabe "ordnungsgemäß ausgefüllter" Unterlagen liegt keine darüber hinausgehende Verpflichtung der Schuldner. Der Anspruch auf Herausgabe der Unterlagen ist daher gem. § 883 Abs. 1 ZPO zu vollstrecken.
Normenkette
ZPO § 883 Abs. 1, § 888 Abs. 1; EStG § 41b Abs. 1 S. 3; SGB IV § 28a Abs. 2; DEÜV § 25 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 27.09.2017; Aktenzeichen 22 Ca 6344/16) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der beiden Schuldner wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 27. September 2017 (22 Ca 6344/16) abgeändert.
Der Antrag des Gläubigers wird zurückgewiesen.
- Der Gläubiger hat die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens zu tragen.
- Die Rechtsbeschwerde wird für den Gläubiger zugelassen.
Gründe
I.
Die Schuldner richten sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die Festsetzung eines Zwangsgeldes sowie gegen die hilfsweise Festsetzung einer Zwangshaft.
Gegen die beiden Schuldner wurde durch das Arbeitsgericht am 31. Oktober 2016 ein Versäumnisurteil erlassen mit nachfolgendem Tenor:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger die Arbeitspapiere zum Arbeitsvertrag zum 13.01.2015, bestehend aus Lohnsteuerbescheinigungen 2015 und 2016 sowie die Sozialversicherungsnachweise vom 16.01.2015 bis 31.12.2015 und 01.01.2016 bis 13.01.2016 ordnungsgemäß ausgefüllt herauszugeben.
Die Schuldner haben ihre Verpflichtung aus dem Versäumnisurteil bislang nicht erfüllt.
Auf Antrag des Gläubigers setzte das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 27. September 2017 gegen die beiden Schuldner zum Zwecke der Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Versäumnisurteil ein gesamtschuldnerisch zu erbringendes Zwangsgeld iHv. insgesamt 1.000,00 EUR fest und für den Fall der Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes die Zwangshaft für jeden Schuldner iHv. vier Tagen.
Dieser Beschluss wurde den beiden Schuldnern jeweils am 29. September 2017 zugestellt. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende sofortige Beschwerde der Schuldner, die am 11. Oktober 2017 beim Arbeitsgericht einging.
Die Schuldner berufen sich zur Begründung ihrer sofortigen Beschwerde auf eine Unmöglichkeit der Erbringung der geschuldeten Leistung. Sie tragen unter Vorlage eines Schreibens des Finanzamts S. II vom 6. Oktober 2017 vor, dass wegen der Einstellung der von den Schuldnern betriebenen Firma auch das Arbeitgebersignal beim Finanzamt gelöscht worden sei, weshalb eine "Lohnsteuerbescheinigung" nicht mehr erstellt werden könne. Auch die Bemühungen der Schuldner bei der AOK S.-B. zur Erlangung von "Sozialversicherungsnachweisen" seien erfolglos gewesen.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 7. November 2017 nicht abgeholfen. Es legte die sofortige Beschwerde dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor.
II.
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Schuldner ist begründet.
Das Arbeitsgericht hat gegen die Schuldner zu Unrecht ein Zwangsgeld festgesetzt und zu Unrecht hilfsweise die Zwangshaft festgesetzt. Die zu vollstreckende Verpflichtung der Schuldner ist nicht auf eine nicht vertretbare Handlung iSv. § 888 Abs. 1 ZPO gerichtet, sondern lediglich auf eine Herausgabe der bezeichneten Papiere, die gemäß § 883 Abs. 1 ZPO durch den Gerichtsvollzieher zu vollstrecken ist.
1. Die bloße Herausgabe von Arbeitspapieren ist nach § 883 Abs. 1 ZPO durch den Gerichtsvollzieher zu vollstrecken. Ist dagegen ein Titel auf das Ausfüllen von Arbei...