Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung des Rechtsstreits wegen eines bereits anhängigen Vorabentscheidungsersuchens beim EuGH. Vorgreiflichkeit der EuGH-Entscheidung zum Verständnis der "personenbezogenen Daten" i.S.d. DSGVO
Leitsatz (amtlich)
Einzelfallentscheidung zur Aussetzung eines Rechtsstreits betr. eine Auskunfts- und Schadenersatzklage nach den Art. 15 und 82 DS-GVO wegen der Anhängigkeit einschlägiger Vorabentscheidungsersuchen beim Europäischen Gerichtshof.
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Rechtsstreit kann in entsprechender Anwendung des § 148 Abs. 1 ZPO ausgesetzt werden, wenn entscheidungserheblich ist, wie Unionsrecht auszulegen ist, und zu dieser Frage bereits ein Vorabentscheidungsersuchen vor dem EuGH anhängig ist.
2. Dem EuGH liegt die Frage vor, ob der DSGVO ein extensives Verständnis von "personenbezogenen Daten" zugrunde liegt. Diese Entscheidung wird erhebliche Bedeutung haben, da der Auskunftsanspruch aus der DSGVO ebenso wie der Schadensersatzanspruch mit einer gewissen Regelhaftigkeit immer häufiger geltend gemacht werden, um aus prozesstaktischen Gründen den - nicht von der DSGVO gedeckten - Zweck zu verfolgen, die eigene Prozesssituation zu verbessern und den Vergleichsdruck auf den Arbeitgeber zu erhöhen.
Normenkette
ZPO § 148 Abs. 1; DSGVO Art. 4 Abs. 3, Art. 15, 82; AEUV Art. 267 Abs. 1 Buchst. a)
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 25.10.2021; Aktenzeichen 7 Ca 4137/21) |
Tenor
- Das Berufungsverfahren wird hinsichtlich der Klageanträge zu 6 bis 8 und zu 20 sowie zu 21 abgetrennt und unter einem neuen, noch zu vergebenden Aktenzeichen fortgeführt.
- Das Berufungsverfahren wird hinsichtlich der Klageanträge zu 6 bis 8 und zu 20 bis zur Erledigung der Vorabscheidungsersuchen des österreichischen Bundesverwaltungsgerichts vom 9. August 2021 - Geschäftszahl W211 2222613-2 - und des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2022 - VI ZR 1352/20 - sowie hinsichtlich des Klageantrags zu 21 bis zur Erledigung des Vorabentscheidungsersuchens des Bundesarbeitsgerichts vom 26. August 2021 - 8 AZR 253/20 (A) - ausgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten im Rahmen eines Rechtsstreits betreffend die befristete Übertragung einer Abteilungsleiterfunktion und die Bereitstellung von Geldmitteln für Filmproduktionen auch darüber, ob die Beklagte zur Auskunftserteilung nach Art. 15 DS-GVO und zur Zahlung von Schadenersatz nach Art. 82 DS-GVO verpflichtet ist.
Wegen des Sachverhalts wird auf das Urteil der Kammer vom 11. Juli 2022 verwiesen. Das Arbeitsgericht hat den Antrag zu 6 betr. die Auskunftserteilung hinsichtlich der personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten des Klägers zu den im Antrag aufgeführten Sachverhaltskomplexen mit Urteil vom 25. Oktober 2021 mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, dass der Begriff der Leistungs- und Verhaltensdaten nicht hinreichend bestimmt sei. Den Antrag zu 20 betreffend die Auskunftserteilung hinsichtlich der personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten im Zusammenhang mit der Erstellung der Abschlussprüfung der D. GmbH hat das Arbeitsgericht ebenfalls als unzulässig abgewiesen, weil der Antrag im weiter gefassten Antrag zu 6 enthalten sei und damit eine doppelte Rechtshängigkeit vorliege. Den Antrag zu 21 betr. Schadenersatz wegen Verletzung der Vorschriften der DS-GVO hat das Arbeitsgericht als zulässig, aber als unbegründet erachtet.
Mit seiner Berufung wendet sich der Kläger gegen diese Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts. Er trägt vor, der Bundesgerichtshof habe mit Urteil vom 15. Juni 2021 klargestellt, dass ein Klageverlangen, Auskunft über alle vom Auskunftsverpflichteten verarbeiteten und gespeicherten personenbezogenen Daten zu erteilen, in jedem Fall ausreichend bestimmt sei. Außerdem habe der Bundesgerichtshof hervorgehoben, dass der Begriff der personenbezogenen Daten sehr weit auszulegen sei. Hilfsweise stelle er den Antrag, ihm über die von der Beklagten verarbeiteten und ihn betreffenden personenbezogenen Daten Auskunft zu erteilen. Der Antrag zu 20 sei nicht im Antrag zu 6 enthalten, weil er einen anderen Sachverhalt betreffe. Schließlich sei der Antrag zu 21 begründet. Für die Entstehung des Anspruchs genüge jeglicher Verstoß gegen eine Vorschrift der DS-GVO einschließlich der Formvorschriften. Es sei von einem weiten Schadensverständnis auszugehen.
Der Kläger beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten einschließlich E-Mail, Vermerke und sonstige Dokumente ab dem Jahr 2007 betreffend
-
des Arbeitsverhältnisses und der im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Sachverhalte einschließlich sämtlicher Daten zur Begründung, Änderung und Ergänzung sämtlicher Vertragsinhalte;
-
die Umsetzung der Zusage der Beklagten gegenüber dem Kläger, pro Jahr ein Filmprojekt in der Größenordnung eines Fernsehspiels als Autor und Regisseur zu realisieren bzw. alle zwei Jahre ein größeres Projekt vergleichbar "George" entsprechend der E-Mail des Person...