Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame Betriebsratswahl bei unterlassener Bekanntmachung der vom Wahlvorstand geänderten Wählerliste im Intranet. Anfechtung der Betriebsratswahl ohne vorherigen Einspruch gegen die Wählerliste
Leitsatz (amtlich)
1. Die Berechtigung von mindestens 3 Arbeitnehmern, eine Betriebsratswahl wegen (angenommener) fehlerhafte Aufnahme von bei einem anderen Vertragsarbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmern als wahlberechtigte Arbeitnehmer in die Wählerliste anzufechten, besteht auch dann, wenn vorher kein Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste eingelegt worden war.
2. Der Inhalt der Bekanntmachung der Wählerliste im Intranet nach § 2 Abs. 4 S. 3 WO-BetrVG mittels der im Betrieb vorhandenen Informations- und Kommunikationstechnik hat den Inhalt der Wählerliste zutreffend wiederzugeben. Wird die Bekanntmachung der Wählerliste im Intranet trotz Änderung der vom Wahlvorstand zu führenden Wählerliste nicht aktualisiert, so stellt dies einen Verfahrensfehler dar, der zur Wahlanfechtung berechtigt, soweit sich dieser auf das Wahlergebnis auswirkt.
Normenkette
BetrVG § 7 S. 2, § 19 Abs. 1, 2 S. 1 Alt. 1; WahlO BetrVG § 2 Abs. 4 S. 3; WahlO BetrVG § 4 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Ulm (Entscheidung vom 27.01.2015; Aktenzeichen 5 BV 2/14) |
Nachgehend
Tenor
- Die Beschwerde des Beteiligten zu 5) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ulm vom 27.01.2015 - 5 BV 2/14 wird zurückgewiesen.
- Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer im Betrieb der Beteiligten zu 6 (nachfolgend: Arbeitgeberin) am 26/27.03.2014 durchgeführten Betriebsratswahl.
Die Arbeitgeberin betreibt unter ihrem Namen in U. eine Klinik zur Akutversorgung und der anschließenden medizinischen und beruflichen Rehabilitation von Patienten in den Fachrichtungen Orthopädie und Neurologie.
Die Beteiligten zu 1-4 (zukünftig: Antragstellerinnen) sind als Arbeitnehmerinnen im Betrieb der Arbeitgeberin tätig.
Der Beteiligte zu 5 (zukünftig: Betriebsrat) besteht aus 13 Mitgliedern und ist aus der streitgegenständlichen Betriebsratswahl hervorgegangen.
Die Arbeitgeberin arbeitet in ihrer Klinik eng verzahnt mit der XXXklinik U. (zukünftig: XXXklinik) zusammen. Die Chefärzte der Abteilungen Neurologie und Orthopädie stehen sowohl bei der Arbeitgeberin (auf der Grundlage eines Dienstvertrages) als auch der XXXklinik in einem Beschäftigungsverhältnis. Der Betrieb der Arbeitgeberin ist im ärztlichen Bereich in 4 Abteilungen aufgeteilt, nämlich der stationären Akutversorgung in der Neurologie, der stationären Akutversorgung in der Orthopädie sowie den Bereich Anästhesie/Intensivmedizin und dem Zentrum für integrierte Rehabilitation. Im Bereich Neurologie und Orthopädie gibt es jeweils 4 Abteilungen (die Hochschulambulanzen, die Forschungslabore, Lehre/Hörsäle und Studienzentrum) der XXXklinik, die in von der Arbeitgeberin angemieteten Räumlichkeiten untergebracht sind. Die in diesen 4 Abteilungen der XXXklinik beschäftigten 89 Arbeitnehmer haben mit der XXXklinik einen Arbeitsvertrag. Die in diesen Abteilungen eingesetzten Ärzte der XXXklinik sowie die Ärzte der Arbeitgeberin werden von den Chefärzten der Abteilungen Neurologie und Orthopädie in den Dienstplänen der Arbeitgeberin eingeteilt und verrichten teilweise auch Dienste auf den Stationen der Arbeitgeberin.
Der mit der Organisation der Wahl befasste Wahlvorstand leitete die Betriebsratswahl mit Erlass des Wahlausschreibens vom 28.01.2014 (Aktenblatt 76-79) ein.
Das Wahlausschreiben enthielt unter den Ziffern 1-4 folgende Festlegungen:
1. Mit diesem Wahlausschreiben und den dazugehörigen Wählerlisten sowie der Wahlordnung (WO) zum Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist die Betriebsratswahl eingeleitet. Die Wählerlisten und die Wahlordnung hängen für jedermann zugänglich in bzw. an den Schaukästen an der Zentrale (Bauteil A, EG), im Vorraum zur Verwaltung (Bauteil C, EG) sowie im Gang zum Wirtschaftshof (Bauteil A, 1. UG), zur Einsichtnahme aus. Wahlausschreiben, Wählerlisten und Wahlordnung können außerdem im Internet eingesehen werden.
2. Nach den Festlegungen des Wahlvorstandes sind zurzeit (Stichtag: Erlass des Wahlausschreibens) 734 Arbeitnehmer/-innen beschäftigt (§ 5 Abs. 1BetrVG). Davon sind 585 Frauen und 149 Männer.
3. Nach § 9 BetrVG sind 13 Betriebsratsmitglieder zu wählen. Unter diesen müssen sich gemäß § 15 Abs. 2 BetrVG mindestens 2 Angehörige der Minderheitengruppe Männer befinden.
4. Wahlberechtigt sind alle Arbeitnehmer/-innen, die am letzten Tag der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet haben (§ 7 BetrVG) und in die Wählerliste eingetragen sind (§ 2 Abs. 3 WO).
5. ......
11. Die wahlberechtigten Arbeitnehmer/-innen des Betriebs sind hiermit aufgefordert, dem Wahlvorstand innerhalb von 2 Wochen seit Erlass des Wahlausschreibens, also bis zum 11.02.2014 um 16:00 Uhr, Wahlvorschläge in der Form von Vorschlagslisten einzureichen. ....
....."
Die mit dem Wahlausschreiben im Intranet am 2...