Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Zuteilung von Aktienoptionen und Nachzugsaktien durch eine US-amerikanische Muttergesellschaft an Mitarbeiter eines deutschen Tochterunternehmens

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Zuteilung von Aktienoptionen und Nachzugsaktien durch eine US-amerikanische Muttergesellschaft an Mitarbeiter eines deutschen Tochterunternehmens hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 80 Abs.1 und § 75 Abs. 1 BetrVG hat der Betriebsrat gleichwohl einen Anspruch auf Auskunft gegen die deutsche Konzerntochter, welchen Mitarbeitern in welchem Umfang Aktienoptionen und Nachzugsaktien gewährt werden. Denn der Betriebsrat kann seiner in § 75 Abs. 1 BetrVG übertragenen Aufgabe, die Einhaltung der Grundsätze von Recht und Billigkeit und insbesondere der Gleichbehandlung zu überwachen, nur dann nachkommen, wenn er die entsprechenden Auskünfte erhält. Falls die Arbeitgeberin keine eigene Kenntnis über die Zuteilung der Aktienoptionen und Nachzugsaktien hat, ist sie verpflichtet, sich die Informationen bei der Muttergesellschaft zu beschaffen.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10, § 80 Abs. 2 S. 1, § 75 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Karlsruhe (Entscheidung vom 11.06.2013; Aktenzeichen 5 BV 1/13)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 22.03.2018; Aktenzeichen 1 ABR 15/17)

BAG (Beschluss vom 20.03.2018; Aktenzeichen 1 ABR 15/17)

 

Tenor

  1. Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 11. Juni 2013 - 5 BV 1/13 - unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde abgeändert.
  2. Die Arbeitgeberin wird verurteilt, dem Betriebsrat Auskunft zu erteilen, welchen Mitarbeitern in welchem Umfang ab dem Jahr 2016 Deferred Stock und/oder Stock Options gewährt werden.
  3. Die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
 

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Arbeitgeberin verpflichtet ist, dem Betriebsrat Auskünfte im Zusammenhang mit an ihre Mitarbeiter von der US-amerikanischen Konzernobergesellschaft ausgegebene Aktienoptionen (Stock Options) und Nachzugsaktien (Deferred Stock) zu erteilen.

Die am 1. Januar 2010 gegründete Arbeitgeberin betreibt im Rahmen eines Betriebsführungsvertrags ua. ein Werk in R., in dem der beteiligte Betriebsrat gebildet ist. Sie gehört zum weltweit tätigen Chemie- und Technologiekonzern D., dessen Obergesellschaft The D. Company (T.) ihren Sitz in den USA hat.

In der D.-Gruppe gibt es für Mitarbeiter ab einer bestimmten Führungsebene als zusätzliche Vergütungskomponente neben der Grundvergütung und einer variablen Vergütung ein von T. aufgelegtes "Long Term Incentives"-Programm. Dieses sieht die Gewährung von Stock Options und Deferred Stock vor. Den Bezugsrahmen und die Verteilungsparameter legt T. jährlich fest; die Arbeitgeberin selbst gewährt keine Aktien. Arbeitsvertragliche Abreden mit der Arbeitgeberin existieren nicht. Die Zuteilung der Stock Options und Deferred Stock erfolgt seit 2009 im Zusammenhang mit der Leistungseinstufung des jeweiligen Mitarbeiters automatisiert in einem elektronischen Gehaltsfindungsprozess ("Pay Planing Process - PPP"). Im PPP können die jeweiligen Vorgesetzten innerhalb eines bestimmten Zeitfensters von der im System vorgegebenen Leistungsbeurteilung nach oben oder unten abweichende Eingaben machen. Zudem können sie Mitarbeiter hinzufügen oder herausnehmen. T. muss diesen Änderungen nicht folgen. Wegen der nach Sparten gegliederten Organisation des Konzerns sind die Vorgesetzten, die für bei der Arbeitgeberin angestellte Mitarbeiter auf das System zugreifen, zum Teil selbst nicht bei dieser angestellt. Umgekehrt können bei der Arbeitgeberin beschäftigte Vorgesetzte auch auf den PPP von Mitarbeitern anderer Konzerngesellschaften einwirken.

Der Betriebsrat hat in dem von ihm eingeleiteten Beschlussverfahren Auskunftsansprüche über die Zuteilung der Stock Options und der Deferred Stock und die Einflussnahme der Arbeitgeberin hierauf geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, dass ihm nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG darüber Auskunft zu erteilen sei, für welche Mitarbeiter die Gewährung von Deferred Stock und Stock Options seitens T. vorgeschlagen wurden, in welchen Fällen und mit welcher Begründung die Vorgesetzten abweichende Vorschläge unterbreitet hätten und inwieweit T. den abweichenden Vorschlägen gefolgt sei. Nur durch eine entsprechende Auskunft könne sie beurteilen, ob die Grundsätze der Lohngerechtigkeit gewahrt würden und ob ggf. ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bestehe.

Der Betriebsrat hat beantragt:

  1. Die Beteiligte Ziff. 2 wird verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft darüber zu erteilen, für welche Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen - mit Ausnahme der leitenden Angestellten - in dem von ihr als Betriebsführungsgesellschaft geführten Werk R. von der Muttergesellschaft der Beteiligten Ziff. 2, der "D. Company (T.)" die Gewährung von Deferred Stock und/oder Stock Options i...

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