Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung der Prozesskostenhilfe bei grob nachlässig unterlassener Mitteilung einer wesentliche Verbesserung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 ZPO hat regelmäßig dann zu erfolgen, wenn die Partei entgegen § 120 a Abs. 2 Satz 1 bis 3 ZPO dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse aus grober Nachlässigkeit nicht unverzüglich mitgeteilt hat.
2. Eine Verbesserung der Einkommensverhältnisse ist wesentlich, wenn sie nicht nur 100,00 EUR übersteigt (§ 120 a Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO), sondern diese darüber hinaus dazu führt, dass die Partei nunmehr in der Lage wäre, die Kosten des Verfahrens ganz, teilweise oder in Raten aufzubringen
3. Grob nachlässig handelt die Partei, wenn sie die Mitteilungspflicht in besonders schwerwiegender Weise verletzt. Davon kann in der Regel dann ausgegangen werden, wenn sie trotz mehrfacher gerichtlicher Nachfrage, sich über eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse zu erklären, nicht reagiert.
Normenkette
ZPO § 117 Abs. 3, § 120a Abs. 2 Sätze 1-3, Abs. 4 S. 1, § 124 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Aktenzeichen 25 Ca 1038/14) |
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen einen Beschluss, mit dem das Arbeitsgericht die ihr bewilligte Prozesskostenhilfe aufgehoben hat.
Der Klägerin war mit Beschluss der Arbeitsgerichts Stuttgart vom 26. Juni 2014 für den überwiegenden Teil der von ihr geltend gemachten Anträge Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten bewilligt worden.
Mit Schreiben vom 8. Juni 2015 wurde die Klägerin gemäß § 120 a Abs. 1 Satz 3 ZPO aufgefordert, bis zum 20. Juli 2015 mitzuteilen, ob sich deren persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse verbessert haben und hierzu das Formular "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" zu verwenden. Nachdem eine Reaktion auf dieses Schreiben ausblieb, wurde die Klägerin mit Schreiben vom 27. Juli 2015 nochmals aufgefordert, sich bis zum 24. August 2015 entsprechend zu erklären.
Da auch diese Frist ohne Reaktion verstrich, hob das Arbeitsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 31. August 2015 die der Klägerin mit Beschluss vom 26. Juni 2014 bewilligte Prozesskostenhilfe unter Bezugnahme auf § 124 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO auf. Der Aufhebungsbeschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 7. September 2015 zugestellt.
Am 7. Oktober 2015 legte die Klägerin gegen den Beschluss vom 31. August 2015 sofortige Beschwerde ein.
Mit Schreiben vom 12. Oktober 2015 forderte das Arbeitsgericht die Klägerin auf, ihre sofortige Beschwerde bis zum 2. November 2015 zu begründen.
Nachdem eine Begründung ausblieb, entschied das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 9. November 2015, der sofortigen Beschwerde der Klägerin nicht abzuhelfen und legte diese dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vor.
Mit Verfügung vom 16. November 2015 räumte das Beschwerdegericht der Klägerin die Gelegenheit ein, ihre Beschwerde bis zum 30. November 2015 zu begründen. Auf Antrag der Klägerin wurde diese Frist mit Verfügung vom 30. November 2015 bis zum 14. Dezember 2015 verlängert.
Am 14. Dezember 2015 übermittelte die Klägerin die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Mit Verfügung vom 15. Dezember 2015 wies das Gericht darauf hin, dass die Aufhebung angesichts dessen nicht mehr auf § 124 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO gestützt werden können dürfte, indes ein Aufhebungsgrund nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 ZPO vorliegen könnte, weil die Klägerin eine wesentliche Verbesserung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse (durch das neue Arbeitsverhältnis) nicht unverzüglich, möglicherweise aus grober Nachlässigkeit, dem Gericht nicht mitgeteilt haben könnte.
Im Rahmen der diesbezüglich eingeräumten, verlängerten Stellungnahmefrist bringt die Klägerin vor, es sei zwar richtig, dass sie eine Verbesserung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse durch das neue Arbeitsverhältnis dem Gericht nicht mitgeteilt habe. Sie habe dies allerdings ohne Kenntnis und ohne Verschulden getan. Als die Klägerin ihren Prozessbevollmächtigten mit der Wahrung ihrer Rechte beauftragt habe, sei dieser bei seiner Belehrung der Klägerin über ihre Pflichten im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens (Mitteilung über die Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse ua.) davon ausgegangen, dass die Klägerin die Belehrung inhaltlich vollständig und richtig verstehe, wobei aufgrund der Vielzahl der Verfahren gegen die Beklagte eine detaillierte Prüfung der Deutschkenntnisse der einzelnen Mandanten nicht möglich gewesen sei. In Wirklichkeit habe die Klägerin aufgrund ihrer schlechten Deutschkenntnisse nicht eindeutig verstanden, dass ihr die Pflicht obliege, Verbesserungen ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse im Verlaufe des Prozesskostenh...