Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewachungsobjekt eines Bewachungsunternehmens Betriebsteil i. S. von § 4 Satz 1 BetrVG. Aufgabe des Bewachungsobjekts durch Unternehmer. Sozialplan

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Bewachungsobjekt eines Bewachungsunternehmens kann einen Betrieb i. S. der §§ 1, 4 BetrVG darstellen. Die Aufgabe des Bewachungsobjekts kann gem §§ 111 ff BetrVG eine Betriebsänderung beinhalten, die zur Aufstellung eines Sozialplans verpflichtet.

 

Normenkette

BetrVG §§ 1, 4, 111-112, 76

 

Verfahrensgang

ArbG Ulm (Beschluss vom 29.10.1993; Aktenzeichen 3 Bv 13/93 R)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 27.06.1995; Aktenzeichen 1 ABR 62/94)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Ulm vom 29.10.1993 – 3 BV 13/93 R – wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin (Arbeitgeber) begehrt die Feststellung, daß der Beschluß der Einigungsstelle vom 20.04.1993 unwirksam ist.

Der Arbeitgeber betreibt ein … unternehmen im süd- und ostdeutschen Raum mit ca. 2.500 Arbeitnehmern. Etwa 80 % der Mitarbeiter wird im Rahmen von … aufgaben im … Bereich eingesetzt. … Objekte sind in rund 70 Einsatzorten zu bewachen. Der Arbeitgeber schließt jeweils Bewachungsaufträge mit der Bundesrepublik Deutschland für i.d.R. 3 bis 5 Jahre; die jeweiligen Objekte werden nach Vertragsablauf oder Kündigung neu ausgeschrieben. Im einzelnen Bewachungsvertrag werden Art. und Umfang der Bewachung und die Anforderungen an das Personal festgelegt. Nach Abschluß eines Bewachungsauftrages werden die erforderlichen Arbeitnehmer von der Zentrale des Arbeitgebers in Cham für das betreffende Objekt eingestellt. Sie werden von der Zentrale ausgerüstet (Uniform, Waffen, Funkgeräte, Hunde), in der Fortbildungsstätte des Arbeitgebers geschult, vom Betriebsarzt untersucht. Es werden Hundeprüfungen abgenommen, Schießübungen und Prüfungen durchgeführt. Die gesamte Personalverwaltung und Entlohnung erfolgt ausschließlich über die Zentrale. Im jeweiligen militärischen Objekt sind ein Schichtführer und ein stellvertretender Schichtführer eingesetzt; sie sind Dienstvorgesetzte der im Objekt beschäftigten Arbeitnehmer. Der Schichtführer legt fest, wie die Arbeitnehmer im Rahmen der Schichtpläne eingesetzt werden. Er sorgt für Vertretungen und erstellt den Urlaubsplan. Sogenannte Inspektionsleiter betreuen jeweils mehrere Bewachungsobjekte. Die Schichtpläne werden von ihnen erarbeitet. Sie erteilen den Schichtführern Weisungen.

Der Arbeitgeber betreute u. a. das Bewachungsobjekt „Munitionsdepot … im Allgäu. Den dort eingesetzten Wachleuten stellte die Bundeswehr ein Wachlokal zur Verfügung. Aufgaben und Befugnisse des zivilen Personals wurden durch Dienstanweisungen des örtlichen Kommandanten festgelegt (Al. 85 ff.) Die im Munitionsdepot vom Arbeitgeber eingesetzten 54 Arbeitnehmer wählten einen Betriebsrat (= Antragsgegner). Der Bewachungsauftrag für das Munitionsdepot wurde von der Bundesrepublik Deutschland zum 30.09.1992 gekündigt. Der Arbeitgeber, der den neu ausgeschriebenen Bewachungsauftrag nicht erhielt, kündigte die Arbeitsverträge der 54 Mitarbeiter zum 30.09.1992. Der größte Teil der freigesetzten Arbeitnehmer bewarb sich beim „Nachfolgeunternehmen” und wurde von diesem weiterbeschäftigt.

Der Betriebsrat verlangte die Erstellung eines Sozialplans. Am 20.04.1993 beschloß die Einigungsstelle einen Sozialplan. Die Gründe des Beschlusses (ABl. 22 f.) wurden dem Arbeitgeber am 09.07.1993 zugestellt. Dieser macht mit dem am 22.07.1993 eingeleiteten Beschlußverfahren geltend, der Beschluß sei unwirksam, da kein Betrieb bzw. wesentlicher Betriebsteil eingeschränkt oder stillgelegt worden sei.

Der Arbeitgeber hat beim Arbeitsgericht vorgetragen, das fragliche Munitionsdepot sei lediglich der Einsatzort für die Mitarbeiter gewesen. Die Voraussetzungen für die Annahme eines Betriebs oder Betriebsteils seien nicht erfüllt.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

festzustellen, daß der Beschluß der Einigungsstelle vom 20.04.1993 unwirksam ist.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Er hat vorgebracht, die Annahme eines Betriebs sei allein schon deshalb gerechtfertigt, weil mit Billigung des Arbeitgebers ein Betriebsrat gewählt worden sei. Hiervon abgesehen seien die Voraussetzungen für die Annahme eines selbständigen Betriebsteils gegeben.

Durch Beschluß vom 29.10.1993, auf den Bezug genommen wird (ABl. 96 bis 101), hat das Arbeitsgericht den Antrag des Arbeitgebers zurückgewiesen.

Gegen den dem Arbeitgeber am 03.03.1994 zugestellten Beschluß hat er am 05.04.1994, Dienstag nach Ostern, Beschwerde eingelegt und hat diese am 05.05.1994 begründet.

Er macht geltend, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe es sich bei dem fraglichen Bewachungsobjekt nicht um einen Betriebsteil i. S. des § 4 Satz 1 BetrVG gehandelt. Es habe keine eigene Leitung auf der Ebene eines verselbständigten Teils des Betriebes bestanden. Durch den Schichtführer sei lediglich der tägliche Wachablauf organisiert worden. Ihm...

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