Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 62 Absatz 1 Satz 3 ArbGG. Verhältnis zwischen §§ 62 Absatz 1 Satz 2 ArbGG und §§ 62 Absatz 1 Satz 3 ArbGG
Leitsatz (amtlich)
Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil des Arbeitsgerichts kommt auch dann in Betracht, wenn der Schuldner es versäumt hat, im ersten Rechtszug einen Schutzantrag nach §§ 62 Absatz 1 Satz 2 ArbGG zu stellen (entgegen LAG Berlin-Brandenburg 23. August 2007 – 15 Sa 1630/07 – NZA-RR 2008, 42 = LAGE ArbGG 1979 §§ 62 Nr. 33).
Normenkette
ArbGG § 62 Abs. 1 Sätze 2-3
Verfahrensgang
ArbG Reutlingen (Teilurteil vom 31.07.2008; Aktenzeichen 3 Ca 226/07) |
Tenor
Die Anträge der Beklagten auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Teilurteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 31. Juli 2008 – 3 Ca 226/07 – werden zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
In der Hauptsache streiten die Parteien darüber, ob das zwischen ihnen seit 1. Juni 1999 bestehende Arbeitsverhältnis durch eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 24. Mai 2007 sowie eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 17. Oktober 2007 beendet worden ist, über die Verpflichtung der Beklagten zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutzanträge, über Zahlungsansprüche des Klägers aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges für die Monate Juni 2007 bis Oktober 2007 sowie Bonuszahlungen für das Jahr 2006 und Erstattungsansprüche des Klägers betreffend Arztrechnungen aus dem Monat März 2007.
Der im August 1964 geborene und verheiratete Kläger, der gegenüber zwei Kindern unterhaltsverpflichtet ist, ist bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, seit 1. Juni 1999 angestellt. Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 1. Januar 2002. Mit Wirkung ab 1. Januar 2004 wurde der Kläger im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses zunächst an die Firma G. F. in L. entsandt. Mit Wirkung ab 1. Januar 2007 wurde der Kläger schließlich von der Beklagten als „General Manager South East Asia and Inda” bei der G. S. auf der Grundlage einer Entsendevereinbarung eingesetzt. Bereits Mitte Februar 2007 wurde der Kläger durch die Beklagte von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Die durchschnittliche Bruttomonatsvergütung des Klägers betrug zu diesem Zeitpunkt EUR 28 383,00, die regelmäßig monatlich abzurechnende Vergütung EUR 24 853,00 brutto.
Mit Schreiben vom 24. Mai 2007 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine außerordentliche fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Zur Rechtfertigung dieser Kündigung zieht die Beklagte von ihr behauptete Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit Maler- und Renovierungsarbeiten in der vom Kläger während seiner Entsendung zu G. F. in L. angemieteten Privatwohnung an. Die Beklagte wirft dem Kläger vor, er habe auf Kosten von G. F., einem Unternehmen der Unternehmensgruppe, der auch die Beklagte angehört, rein privat veranlasste Maler- und Renovierungsarbeiten in seiner Privatwohnung durchführen lassen. Zu diesem Verdacht hat die Beklagte den Kläger am 11. Mai 2007 angehört. Der Zeitpunkt des Zuganges des Kündigungsschreibens vom 24. Mai 2007 ist zwischen den Parteien streitig.
Die Beklagte kündigte während des bereits rechtshängigen Kündigungsschutzprozesses über die Kündigung vom 24. Mai 2007 das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger neuerlich mit einer außerordentlichen fristlosen wie hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 17. Oktober 2007. Der Kläger hat im Laufe des Rechtsstreites seine ursprüngliche lediglich gegen die außerordentliche fristlose wie hilfsweise ordentliche Kündigung vom 24. Mai 2007 erhobene Kündigungsschutzklage um einen weiteren Bestandsschutzantrag betreffend die außerordentliche Kündigung vom 17. Oktober 2007, einen hilfsweise gestellten Weiterbeschäftigungsantrag für die Dauer des Rechtsstreites, Bonuszahlungen für das Kalenderjahr 2006, Erstattung von Arztrechnungen aus dem Monat März 2007 sowie die Brutto-Monatsvergütungen für die Monate Juni 2007 bis einschließlich Oktober 2007 in Höhe von jeweils EUR 24 853,00 brutto erweitert.
Mit Teilurteil vom 31. Juli 2008 hat das Arbeitsgericht Reutlingen der gegen die Kündigung vom 24. Mai 2007 gerichteten Kündigungsschutzklage sowohl hinsichtlich der außerordentlichen als auch der hilfsweise ordentlichen Kündigung stattgegeben und die Beklagte darüber hinaus zur Zahlung des Arbeitsentgeltes für die Monate Juni 2007 bis einschließlich September 2007 in Höhe von jeweils EUR 24 853,00 brutto zuzüglich Zinsen jeweils ab dem 1. Kalendertag des Folgemonates verurteilt.
Gegen dieses – der Beklagten am 6. August 2008 zugestellte – Teilurteil hat die Beklagte bereits mit Schriftsatz vom 4. August 2008 – beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg am 5. August 2008 eingegangenen Schriftsatz – Berufung eingelegt. Ebenfalls mit Sch...