Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmungsersetzungsverfahren. Tarifliche Eingruppierung. Betriebsübergänge. Eingruppierung nach dem Tarifvertrag für Altbeschäftigte. Nichtigkeit der Betriebsvereinbarung über die Gehaltsordnung. Üblichkeit der tariflichen Gehaltsregelungen. Außenseiterunternehmen. Beitritt in tarifschließende Arbeitgeberorganisation. Ablösungswirkung
Leitsatz (redaktionell)
1. Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Diese Sperrwirkung erfasst auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber.
2. Existieren tarifliche Gehaltsregelungen und handelt es sich dabei um Tarifabschlüsse, bei denen eine Organisation von Arbeitgebern Tarifpartner war, dann liegt Tarifüblichkeit i.S.v. § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG auch bei Außenseiterunternehmen vor, wenn sie die satzungsmäßigen Voraussetzungen zum Beitritt in der Arbeitgeberorganisation erfüllen und auch sonst die von den Mitgliedsunternehmen repräsentierten betrieblichen Tätigkeiten ausüben.
3. Wird eine Gesellschaft auf ein weiteres Konzernunternehmen übertragen und schließt diese GmbH mit dem bei ihr gebildeten Gesmtbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die Gehaltsordnung ab, die die allgemeinen Vergütungsgrundsätze und die Entgelthöhe regelt, gilt für die Arbeitsverhältnisse und die Eingruppierung der Arbeitnehmer nicht diese Vereinbarung, sondern der bisherige, mit der Gewerkschaft abgeschlossene Tarifvertrag. Die Betriebsvereinbarung verstößt gegen die Sperre des $ 77 Abs. 3 S. BetrVG und ist deshalb nichtig.
Normenkette
BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4, § 77 Abs. 3 S. 1, § 87 Abs. 1 Nr. 10; BGB § 613a Abs. 1 Sätze 1-2; MTV § 4.1; Vergütungsrahmentarifvertrag; Tarifvertrag für Altbeschäftigte; Betriebsvereinbarung über die Gehaltsordnung
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Beschluss vom 01.10.2002; Aktenzeichen 12 BV 16/02) |
Nachgehend
Tenor
I.
Auf die Beschwerde des BR wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Mannheim vom 01.10.2002 – 12 BV 16/02 – abgeändert:
Der Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin wird zurückgewiesen.
II.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
1.
Arbeitgeberin (ArbGeb.) und Betriebsrat (BetrR) streiten im vorliegenden Zustimmungsersetzungsverfahren gem. § 99 Abs. 4 BetrVG über die zutreffende tarifliche Eingruppierung der im Antrag im Einzelnen genannten 10 Arbeitnehmer.
Die ArbGeb. ist ein der T. Unternehmensgruppe angehöriges Unternehmen. Sie hat, neben der T. S… H… AG sowie etlichen weiteren Konzerngesellschaften, am 18.09.2000 mit der zuständigen Gewerkschaft zwei Vergütungstarifverträge, jeweils mit dem 01.01.2001 in Kraft getreten, abgeschlossen. Es handelt sich einmal um den allgmeinen Vergütungsrahmentarifvertrag (VRTV), desweiteren um den Tarifvertrag für Altbeschäftigte. Letzterer kommt nach seinem in § 1.3.2 beschriebenen persönlichen Geltungsbereich zur Anwendung auf ”Mitarbeiter, die zum Stichtag 31.12.1994 einem Betrieb der Unternehmensgruppe T. S… zugehörig waren und deren Gehalt sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Vertrages nach den Tarifverträgen der T. T…t mit der ÖTV richtet”.
Die ArbGeb. will die vom vorliegenden Antrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG betroffenen Arbeitnehmer nach dem VRTV eingruppieren. Hierzu hat der BetrR die Zustimmung verweigert und geltend gemacht, es finde der Tarifvertrag für Altbeschäftigte Anwendung. Die Meinungsverschiedenheiten der Verfahrensbeteiligten beruhen auf der unterschiedlichen Beurteilung der Frage, ob sich das Gehalt der einzugruppierenden Arbeitnehmer per 01.01.2001 nach den Tarifverträgen der T… T… mit der ÖTV richtete.
Die 10 Arbeitnehmer befanden sich ursprünglich in einem Arbeitsverhältnis mit dem T. S… e. V. Dieser gliederte zum 01.01.1994 ihren Geschäftsbereich Umwelt/Meßtechnik aus und übertrug diese Tätigkeit auf die zum 01.01.1994 gegründete T… U… M…k GmbH. Diese Gesellschaft wurde zum 01.12.1997 auf ein weiteres Konzernunternehmen, die T… E… U… GmbH, einem mit der T… U… M… GmbH unmittelbar konkurrierenden Unternehmen, übertragen. Schließlich, mit Wirkung ab 01.06.2000, erwarb die am Verfahren beteiligte Arbeitgeberin den Betrieb.
Entsprechend den dargestellten Betriebsübergängen zum 01.01.1994, 01.12.1997 und 01.06.2000 gingen die Arbeitsverhältnisse der einzugruppierenden 10 Arbeitnehmer auf die jeweilige Betriebsübernehmerin über. Während der T… S… e. V., bis Dezember 1996, der T… T… angehörte, war dies weder bei der T… U… M… GmbH noch bei der T… E… U… GmbH der Fall.
Die verschiedenen Tarifverträge (Mantel- und Vergütungstarifverträge), die von der – 1972 gegründeten – T… T…t mit der ÖTV abgeschlossen worden waren, definierten ihren fachlichen Geltungsbereich stets „für die Mitglieder der Tarifgemeinschaft T… Ü… e. V.”
Am 01.08.1997 hatte die T… E… U… GmbH mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat eine „Betriebsvereinbarung über die Gehaltsordnung” (in der Folge: GBV) abg...