Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert für Kündigungsschutzantrag mit uneigentlichen Hilfsanträgen zu Weiterbeschäftigung und Annahmeverzugsvergütung bei vergleichsweiser Erledigung des Rechtsstreits
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzverfahrens ist als ein für den Fall des Erfolgs des Bestandsschutzbegehrens gestellter uneigentlicher Hilfsantrag zu verstehen; das gilt auch dann, wenn er nicht ausdrücklich als solcher bezeichnet wird, da von seiner Unbedingtheit nur auszugehen ist, wenn gerade der Wille, einen unbedingten Antrag stellen zu wollen, ausdrücklich erklärt wird.
2. Ist der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzverfahrens als uneigentlicher Hilfsantrag gestellt, kommt eine Zusammenrechnung nur in Betracht, wenn über den Antrag eine Entscheidung ergeht (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG) oder ein entsprechender Vergleich geschlossen wird (§ 45 Abs. 4 GKG in Verbindung mit § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG).
3. Der als uneigentlicher Hilfsantrag geltend gemachte allgemeine Weiterbeschäftigungsantrag ist nicht zu berücksichtigen, wenn der Rechtsstreit durch Vergleich beendet worden ist und der Vergleich hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsanspruchs keine Regelung enthält.
4. Ein Antrag auf Bezahlung von Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist kann überhaupt nur für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzbegehren Erfolg haben; von seiner Unbedingtheit kann nur ausgegangen werden, wenn umgekehrt gerade der Wille, einen unbedingten Antrag zu stellen, ausdrücklich erklärt worden wäre.
5. Als uneigentlicher Hilfsantrag ist der Antrag auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht bewertungsrelevant, wenn die Parteien bei der vergleichsweisen Auflösung des Arbeitsverhältnisses die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ablauf der ursprünglich gesetzten Kündigungsfrist vereinbaren und damit keine sachliche Regelung über diese Vergütungsansprüche treffen.
Normenkette
GKG § 42 Abs. 2 S. 1, § 45 Abs. 1 Sätze 2-3, Abs. 4, § 48 Abs. 1; ZPO § 3; BGB § 779 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Reutlingen (Entscheidung vom 09.02.2015; Aktenzeichen 3 Ca 329/13) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 09.02.2015 - 3 Ca 329/13 - abgeändert.
Der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert wird auf 9.675,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beschwerde betrifft die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts gemäß § 63 Abs. 2 GKG.
Im Ausgangsverfahren wandte sich der gegen eine durchschnittliche Bruttomonatsvergütung in Höhe von 1.935,00 € bei der Beklagten beschäftigte Kläger gegen die ordentliche Arbeitgeberkündigung vom 23.09.2013 zum 31.01.2014 (Antrag zu 1), begehrte die allgemeine Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses (Antrag zu 2), hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit den Bestandsschutzanträgen die vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Bestandsschutzrechtsstreits (Antrag zu 3), ein qualifiziertes Zwischenzeugnis (Antrag zu 4), die Rücknahme und Entfernung der Abmahnung vom 02.08.2013 aus seiner Personalakte (Antrag zu 5), die Niederschrift der wesentlichen Arbeitsvertragsbedingungen (Antrag zu 6) sowie hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Klagantrag zu 1 die Bezahlung einer monatlichen Vergütung in Höhe von 1.900,00 € brutto über den 31.01.2014 hinaus (Antrag zu 7 ≪vom Kläger versehentlich als Antrag zu 6 bezeichnet≫).
Der Rechtsstreit endete durch Vergleich vom 26.08.2014 im Rechtsstreit 7 Ca 26/14 der Parteien vor dem Arbeitsgericht Reutlingen (im Folgenden: "Vergleich" ≪Abschrift Bl. 121 der Akte≫). Darin ist u.a. geregelt:
"1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch ordentliche Arbeitgeberkündigung vom 23.09.2013 zum 31.01.2014 geendet hat.
...
3. Mit diesem Vergleich sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und anlässlich seiner Beendigung abgegolten und erledigt, gleich ob bekannt oder unbekannt.
...
4. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit und der Rechtsstreit 3 Ca 329/13 erledigt."
Das Arbeitsgericht hat den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert auf 74.398,50 € (je 1.935,00 € ≪= eine durchschnittliche Bruttomonatsvergütung des Klägers≫ für die Anträge zu 3, 4 und 5, 193,50 € ≪= 10 % einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung des Klägers≫ für den Antrag zu 6 und 68.400,00 € ≪36 x die beziffert eingeklagte Vergütung von 1.900,00 € brutto pro Monat≫ für den Antrag zu 7) festgesetzt.
Mit der Beschwerde begehrt der Kläger im Auftrag der hinter ihm stehenden Rechtsschutzversicherung die zu Unrecht erfolgte Bewertung des Antrags zu 7.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern diese dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde des Klägers ist statthaft (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG); sie ist form- und fristgerecht eingelegt...