Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifpluralität. Firmentarifvertrag. Verschmelzung. Umwandlung. Bezugnahmeklausel

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Firmentarifvertrag gilt im Falle der Verschmelzung zur Aufnahme als speziellerer Tarifvertrag im gesamten Unternehmen und verdrängt nach dem Prinzip der Tarifpluralität einen im aufgenommenen Unternehmen zuvor geltenden Verbandstarifvertrag.

 

Normenkette

UmwG § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1; TVG § 3 Abs. 1; BGB § 305c Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Ulm (Beschluss vom 10.03.2004; Aktenzeichen 7 BV 2/04)

 

Tenor

1.Die Beschwerde des Betriebsrats gegen denBeschluss des Arbeitsgerichts Ulm – Kammern Ravensburg – vom10.03.2004 – 7 BV 2/04 – wird zurückgewiesen.

2.Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

A.

Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1) begehrt die Ersetzung der Zustimmung des in ihrer Niederlassung in F. eingerichteten Betriebsrats, des Beteiligten zu 2, zur Umgruppierung von 14 Arbeitnehmern.

Bei der Arbeitgeberin handelt es sich um die d. S. GmbH, die am 28.11.2001 in die T. I. GmbH umfirmierte, am 11.12.2002 im Wege der Verschmelzung die damalige T. I. GmbH (nachfolgend: T. [alt]) aufnahm und in die Arbeitgeberin umfirmierte.

Bei der Arbeitgeberin gelten seit der Verschmelzung folgende Tarifverträge:

Für den Tarifbereich Nord-Württemberg/Nord-Baden hatte eine Tarifgemeinschaft von Dienstleistungsunternehmen, sämtlich Mitglieder im Verband der Metallindustrie Baden-Württemberg, mit der Industriegewerkschaft Metall am 03.09.1998 und mit der Deutschen Angestellten Gewerkschaft am 10.09.1999 einen Ergänzungstarifvertrag abgeschlossen (nachfolgend: TV-Metall). Dieser Tarifvertrag enthielt Regelungen, die die Flächentarifverträge der Metallindustrie des Tarifgebiets Nord-Württemberg/Nord-Baden ergänzten und teilweise abänderten. Der Ergänzungstarifvertrag galt räumlich und fachlich für die in einer Anlage 2 aufgeführten Betriebsstätten der Unternehmen der Tarifgemeinschaft. Darin waren die Betriebsstätten der Firma D. AG, D. S. GmbH sowie 10 weitere Unternehmen aufgeführt. In Nr. 2 der Anlage 2 war festgehalten, dass die Tarifvertragsparteien Verhandlungen aufnehmen, um binnen zwei Jahren weitere Unternehmen der D. an die Tarifbindung heranzuführen.

Am 20.03.2002 hatte die Firma T. (alt) mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ein Tarifwerk für die bei dieser Firma beschäftigten Arbeitnehmer abgeschlossen (nachfolgend: TV-ver.di). Dieses umfasst einen Manteltarifvertrag (MTV T.), einen Entgelttarifvertrag (ETV T.), einen Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV T.), einen Tarifvertrag über besondere Arbeitsbedingungen (TV SR T.) sowie weitere Tarifverträge. § 54 Abs. 1 TV SR T. bestimmt, dass die Arbeitnehmer mit ihrem bisherigen individuellen Jahreszielgehalt in den ERTV T. überführt werden.

Sämtliche Arbeitsverträge der vorliegend betroffenen Arbeitnehmer enthalten eine Tarifbezugnahmeklausel folgenden Inhalts:

„Für Ihr Arbeitsverhältnis gilt der Ergänzungstarifvertrag sowie die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie NW/NB bzw. Berlin – je nach den ergänzungstarifvertraglichen Bestimmungen zum Geltungsbereich – soweit diese nicht durch den Ergänzungstarifvertrag (ETV) abgeändert wurden. Die Tarifverträge gelten, solange Sie in einer Gesellschaft der Tarifgemeinschaft, die den Ergänzungstarifvertrag gemäß § 3 Abs. 1 TVG abgeschlossen hat, beschäftigt sind, für das Arbeitsverhältnis in ihrer jeweils gültigen Fassung, wenn nicht abweichende einzelvertragliche Regelungen getroffen sind oder in späteren Abmachungen getroffen werden. Finden in Ihrem Betrieb unterschiedliche Tarifverträge Anwendung, so bezieht sich diese Verweisung auf den für den Betrieb spezielleren (insbes. Branchen-)Tarifvertrag”.

Ob und gegebenenfalls welche der betroffenen Arbeitnehmer Mitglied der Gewerkschaft IG Metall und/oder Mitglied der Gewerkschaft ver.di sind, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Die Arbeitgeberin beantragte beim Betriebsrat die Zustimmung zur Umgruppierung der betroffenen Arbeitnehmer in die Vergütungsordnung der TV-ver.di, die der Betriebsrat innerhalb der vereinbarten verlängerten Anhörungsfrist mit der Begründung verweigerte, die betroffenen Arbeitnehmer seien richtigerweise den TV-Metall zuzuordnen und nach der dort vorgesehenen Vergütungsgruppe zu vergüten.

Nach Auffassung der Arbeitgeberin verdrängen die Haus –TV– ver.di die Flächen –TV– Metall kraft des sowohl bei Tarifkonkurrenz als auch bei Tarifpluralität geltenden Grundsatzes der Tarifeinheit und der Spezialität. Aufgrund der lange vor der Verschmelzung abgeschlossenen TV-ver.di liege keine gewillkürte Tarifpluralität vor. Ebenso wenig verändere der Abschluss des Ergänzungs-TV im Regelwerk der TV-Metall deren Charakter als Flächentarifverträge. Überdies seien die TV-ver.di gegenüber den TV-Metall auch inhaltlich stärker auf die Interessen der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer abgestimmt.

Die Arbeitgeberin hat beantragt:

Die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der folgenden

Arbeitnehmer

mit der Personalnummer

in...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?