Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratsschulung, Teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder. Freizeitausgleich. Reisezeiten
Leitsatz (redaktionell)
1. Teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder haben für Wege-, Fahrt- und Reisezeiten, die sie zur Erfüllung notwendiger betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben außerhalb ihrer individuellen Arbeitszeit aufwenden, keinen Anspruch auf Freizeitausgleich nach § 37 Abs. 3 BetrVG, wenn keine Regelung besteht, wonach Reisezeit wie vergütungspflichtige Arbeitszeit zu bewerten ist.
2. Ein Ausgleichsanspruch eines teilzeitbeschäftigten Betriebsratsmitglieds für an einem Freitagnachmittag aufgewandte Rückreisezeit von einem vom Beschäftigungsbetrieb weit entfernt liegenden Schulungsort, besteht im Einzelfall auch dann nicht, wenn im Beschäftigungsbetrieb 80% der Arbeitnehmer in Teilzeit beschäftigt sind und von diesen mehr als die Hälfte Freitag nachmittags nicht arbeitet.
Normenkette
BetrVG § 37 Abs. 6, 3, § 78 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 29.08.2003; Aktenzeichen 25 Ca 11157/02) |
Nachgehend
Tenor
1.Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 29.08.2003 – Az.: 25 Ca 11157/02 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Freizeitausgleich im Umfang von vier Stunden.
Die seit 14.11.1994 bei der Beklagten mit durchschnittlich 35,68 Wochenstunden beschäftigte Klägerin nahm vom 02. bis 05. Oktober 2001 an einer von beiden Parteien für erforderlich gehaltenen Betriebsräteschulung in L. teil. Die Schulung endete am 05.10.2001 um 12.00 Uhr. Die Klägerin trat die Heimreise um 14.18 Uhr an und erreichte um 18.00 Uhr W.. Für diese Rückreisezeit verlangte sie bezahlten Freizeitausgleich mit Schreiben vom 30.10.2001 (ABl. 14 d. erstinstanzl. Akte) bzw. vom 09.07.2002 (ABl. 15 d. erstinstanzl. Akte), was die Beklagte mit Schreiben vom 10.07.2002 unter Hinweis darauf, dass die Klägerin von Anfang an Vergütung verlangt habe, ablehnte (ABl. 17 d. erstinstanzl. Akte).
Die Beklagte beschäftigt zu 80 % Teilzeitarbeitnehmer mit durchschnittlich 21,5 Wochenstunden. Die Arbeitszeit in der Abteilung Anzeigensatz, der die Klägerin angehört, endet freitags um 12.00 Uhr; in der Druckerei, der Text- und Korrekturabteilung wird freitags zum Teil überhaupt nicht, längstens aber bis 12.00 Uhr gearbeitet. Die Arbeitszeit der Arbeitnehmer in der Rechnungsabteilung, in der Anzeigenabteilung und an der Pforte, das sind weniger als die Hälfte der Arbeitnehmer der Beklagten, endet freitags um 15.00 Uhr. Tarifvertragliche oder betriebliche Regelungen über die Vergütung von Dienstreisezeiten im Betrieb der Beklagten bestehen nicht.
Das Arbeitsgericht hat dem am 23.10.2002 erhobenen Klagantrag,
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Freizeitausgleich im Umfang von vier Stunden zu gewähren,
mit Urteil vom 29.08.2003 stattgegeben und dies im Wesentlichen damit begründet, dass einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer grundsätzlich ein Ausgleichsanspruch gemäß § 37 Abs. 6 i.V.m. § 37 Abs. 3 BetrVG zustehe, wenn er außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit, jedoch innerhalb der Arbeitszeit eines Vollzeitarbeitnehmers an einer Schulung teilnehme. Da die Reisezeit in unmittelbarem sachlichen Zusammenhang mit der Betriebsratstätigkeit stehe, bestehe auch hierfür der Ausgleichsanspruch. Unerheblich sei, dass die Arbeitszeit eines Vollzeitarbeitnehmers am Freitag um 15.00 Uhr ende, weil maßgeblich insbesondere bei flexiblen Arbeitszeiten das Arbeitszeitvolumen eines Vollzeitarbeitnehmers sei, welches sich in der 40-Stundenwoche auf acht Stunden pro Arbeitstag belaufe. Infolgedessen stehe der Klägerin für den 05.02.2001 ein weiterer Ausgleichsanspruch von vier Stunden zu.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts vom 29.08.2003 Bezug genommen.
Gegen das der Beklagten am 09.09.2003 zugestellte Urteil richtet sich deren am 06.10.2003 eingelegte und mit bei Gericht am 07.11.2003 eingegangenem Schriftsatz ausgeführte Berufung.
Sie ist der Auffassung, dass die mit der Schulung verbundenen Reisezeiten nicht aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit der Klägerin gelegen haben. Eine über 21,5 Stunden hinausgehende Ausgleichspflicht verstoße gegen § 78 BetrVG insbesondere auch deshalb, weil eine Vergütungspflicht für Reisezeiten bei der Beklagten generell nicht bestehe. Die Beklagte beklagt den „Seminartourismus” unter Hinweis darauf, dass die Wegezeit nicht erforderlich gewesen sei. Schließlich wendet sie ein, der Anspruch sei auch mangels rechtzeitiger Geltendmachung verfallen.
Sie beantragt deshalb
das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 29.08.2003, Az.: 25 Ca 11157/02 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Sie ist der Auffassung, dass ...