Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an eine Vereinbarung, nach der der Arbeitgeber die pauschlale Lohnsteuer nach § 40a EStG im Innenverhältnis zum Arbeitnehmer selbst zu tragen hat
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Verpflichtung zur Übernahme der Pauschalsteuer durch den Arbeitgeber kann durch eine betriebliche Übung begründet werden.
2. Eine Bruttolohnvereinbarung im Arbeitsvertrag steht dem Entstehen einer derartigen betrieblichen Übung grundsätzlich entgegen.
Normenkette
EStG § 40a; BGB § 611
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 12.06.2001; Aktenzeichen 16 Ca 9878/00) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart am 12.06.2001 – 16 Ca 9878/00 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um der Höhe nach unstreitige Restlohnansprüche des Klägers für Dezember 1999 bis Dezember 2000 in Höhe der seitens der Beklagten abgeführten Lohn- und Kirchensteuer.
Der 1966 geborene Kläger ist seit 15.11.1994 neben einer anderweitigen Hauptbeschäftigung ganz überwiegend als geringfügiger Beschäftigter angestellt. Gemäß Ziff. 4 des Arbeitsvertrages vom 03.09.1994 (ABl. 48 ff. der erstinstanzlichen Akte) erhält der Arbeitnehmer ein monatliches „Bruttogehalt”. Gemäß Ziff. 13 dieses Vertrags richtet sich das Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des Manteltarifvertrags für das Gaststätten- und Hotelgewerbe Baden-Württemberg. Vertragsänderungen bedürfen der Schriftform. Mündliche Vereinbarungen über die Aufhebung der Schriftform sind nichtig.
Von Beginn des Arbeitsverhältnisses an führte die Arbeitgeberin wie auch bei den übrigen geringfügig Beschäftigten Pauschalsteuer gemäß § 40a EStG an das Finanzamt ab, ohne diese vom Lohn des Klägers einzubehalten. Lediglich in den Monaten, in denen der Verdienst des Klägers die Geringfügigkeitsgrenze überstieg (im Einzelnen ABl. 45 der Berufungsakte), behielt die Arbeitgeberin Lohnsteuer nach Klasse VI vom Bruttolohn des Klägers ein.
Durch Gesetz vom 24.03.1999 (BGBl. I,388) wurden auch geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer der Sozialversicherungspflicht unterworfen. Die Arbeitgeberin nahm dieses Gesetz zum Anlass, die Besteuerung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse neu zu regeln. In Absprache mit dem Betriebsrat, dessen Vorsitzender der Kläger seinerzeit war, übernahm die Arbeitgeberin für eine Übergangszeit noch bis zum 31.08.1999 die Pauschalsteuer gemäß § 40a EStG. Eine Vereinbarung über die Verlängerung dieser Regelung scheiterte. Ab 01.09.1999 wurde den geringfügig beschäftigten Arbeitnehmern deshalb Lohnsteuer und Kirchensteuer nach Klasse VI vom Lohn einbehalten.
Durch Beschluss vom 29.11.1999 wurde der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und angeordnet, dass Verfügungen der Schuldnerin (Arbeitgeberin) nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO, vgl. ABl. 53 f. der erstinstanzlichen Akte). Am 29.02.2000 wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin das Insolvenzverfahren eröffnet (ABl. 12 f. der erstinstanzlichen Akte). Die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Forderungen hat der Kläger inzwischen gemäß § 174 Insolvenzordnung zur Tabelle angemeldet. Sie wurden vom Insolvenzverwalter bestritten.
Der Kläger ist der Auffassung, die Arbeitgeberin sei auch nach dem 01.09.1999 nicht berechtigt, Steuern vom Lohn einzubehalten. Die Übernahme der Pauschalsteuer im Innenverhältnis sei von Anfang an Vertragsinhalt gewesen, welcher durch die jahrelange vorbehaltslose Praxis bestätigt worden sei. Eine Vertragsänderung im Sinne der Ziff. 13 des Arbeitsvertrages liege deshalb nicht vor. Da das Gesetz vom 24.03.1999 die Möglichkeit der Pauschalbesteuerung nicht angetastet habe, sei auch die Geschäftsgrundlage nicht entfallen. Die Sozialversicherungspflicht treffe beide Parteien gleichermaßen.
Mit beim Arbeitsgericht Stuttgart am 31.03.2000 eingegangener Klage hat der Kläger deshalb zunächst restliche Vergütung für Dezember 1999 bis Februar 2000 in Höhe von DM 459,15 nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit gefordert. Mit Klagerweiterung vom 23.04.2001 wurden für März, November und Dezember 2000 weitere DM 260,36 netto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank gemäß § 1 Diskontüberleitungsgesetz seit Rechtshängigkeit eingeklagt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Lohnsteuer im Zweifel vom Arbeitnehmer zu tragen sei. Eine ausdrückliche Übernahme der Pauschalsteuer durch den Arbeitgeber sei nicht vereinbart worden. Einer stillschweigenden Übernahme stehe die qualifizierte Schriftformklausel gemäß Ziff. 13 des Arbeitsvertrages entgegen. Da die Übernahme der Pauschalsteuer im Ermessen des Arbeitgebers stehe, könne er in jedem Veranlagungszeitraum neu darüber befinden, weshalb eine betriebliche Übung nicht habe entstehen können. Schl...