Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhörung des Betriebsrats. Vorübergehender Betriebswechsel von über einem Monat Dauer
Leitsatz (redaktionell)
Bei vorübergehendem Einsatz eines Arbeitnehmers von über einem Monat Dauer in einem anderen Betrieb, muss im Fall der Kündigung (auch) der Betriebsrat des derzeitigen Einsatzbetriebs angehört werden.
Normenkette
BetrVG § 102 Abs. 2, § 95 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Ulm (Urteil vom 10.05.2001; Aktenzeichen 5 Ca 536/00) |
Tenor
1.Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 10.5.2001 – 5 Ca 536/00 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2.Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten aufgrund am 07.12.2000 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage um die Rechtswirksamkeit der von der Beklagten am 29.11.2000 mit Schreiben vom 29.11.2000 (Blatt 5 der Akte erster Instanz) ausgesprochenen fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung zum 30.06.2001, um den Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung und des weiteren um dessen Ansprüche auf – restliche – Vergütung für den Monat November 2000 in Höhe von DM 2.547,00 brutto sowie für die Monate Dezember 2000 bis März 2001 in Höhe von jeweils DM 9.790,00 brutto.
Der am xxxxxxxx geborene, verheiratete Kläger war seit dem 01.07.1973 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der xxxxxxxx GmbH, zuletzt auf Grund außertariflichen Anstellungsvertrags vom 22.06.1981 (Blatt 51 – 54 der Akte erster Instanz) als Sachbearbeiter der kaufmännischen Auftragsabwicklung zu einer Vergütung von DM 9.790,00 brutto beschäftigt. Der Kläger wurde bis Ende September 2000 ausschließlich in der Betriebsstätte der Beklagten in xxxx beschäftigt, in der ein dreiköpfiger Betriebsrat besteht. Nach der Bekanntmachung des Ergebnisses der am 20.01.2000 durchgeführten Betriebsratswahl (Blatt 76, 77 der Akte erster Instanz) ging der Kläger aus dieser als drittes Ersatzmitglied hervor. Ab Anfang Oktober 2000 wurde der Kläger in der weiteren Betriebsstätte der Beklagten in xxx eingesetzt, in der ebenfalls ein Betriebsrat gebildet ist.
Mit Schreiben vom 20.11.2000 (Blatt 46 bis 48 der Akte erster Instanz) hörte die Beklagte den Betriebsrat ihres Bonner Betriebs zu ihrer Absicht an, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 30.06.2001 zu kündigen, weil der Kläger nach einer am 31.10.2000 mit Zustimmung des Betriebsrats (vgl. Anlage ABl. 32) veranlassten Einzelauswertung der von seinem Dienstapparat aus in der Zeit vom 01.05.2000 bis 30.09.2000 geführten Gespräche (vgl. Anlage Bl. 30 bis 43 der Akte erster Instanz) seine arbeitsvertraglichen Pflichten dadurch verletzt habe, dass er während seiner Arbeitszeit nachweislich in einem zeitlichen Umfang von 42:50:42 h (= ca. 5 ½ Arbeitstage) private Telefongespräche geführt und hierdurch Telefongebühren von DM 752,52 verursacht habe. Mit Schreiben vom 24.11.2000 (Blatt 6 der Akte erster Instanz) äußerte der Betriebsrat gegenüber der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung Bedenken und widersprach der hilfsweisen ordentlichen Kündigung mit der Begründung, dass der Kläger in Ulm weiterbeschäftigt werden könne.
Der Kläger hat im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Kündigungen unwirksam seien, weil
- mangels einer zeitlichen Festlegung seines Einsatzes in Ulm der dortige Betriebsrat habe angehört werden müssen,
- ihm in Hinblick darauf, dass er der mit Schreiben der Beklagten vom 21.06.2000 (Blatt 29 der Akte erster Instanz) erfolgten Aufforderung zur Reduzierung seiner Telefongespräche nachgekommen sei, ein schwerwiegendes Fehlverhalten nicht vorzuwerfen sei,
- die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten habe und
- die ordentliche Kündigung gemäß § 15 KSchG ausgeschlossen sei.
Das Arbeitsgericht hat mit am 10.05.2001 verkündeten Urteil (Blatt 94 – 106 der Akte erster Instanz), auf das auch wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien im Einzelnen und der von diesen in erster Instanz gestellten Anträge verwiesen wird, der Klage entsprochen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kündigungen gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG rechtsunwirksam seien, weil die Beklagte vor deren Ausspruch den Betriebsrat in Ulm hätte anhören müssen. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung sei davon auszugehen, dass die Dauer des Einsatzes des Klägers in Ulm offen und lediglich auf einen Mindestzeitraum, nicht aber auf einen Maximalzeitraum von drei Monaten ausgelegt gewesen sei.
Gegen dieses ihr am 14.08.2001 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 10.09.2001 eingelegten und innerhalb verlängerter Begründungsfrist am 09.11.2001 ausgeführten Berufung. Das Arbeitsgericht sei zu Unrecht auf Grund des Vorbringens des Klägers, des sich angeblich aus der Stellungnahme des Betriebsrats vom 24.11.2000 ergebenden fortdauernden Vertretungsbedarfs und einer aus dem Zusammenhang gerissenen Äußerung ihres Personalreferenten xxxxx in der Verhandlung am 10.05.2001 von der Unrichtigkeit ihrer Behauptung, nach der der Kläger im Weg...